116 - Geheimexperiment Todessporen
Hocke, noch immer
ohne besondere Eile und mit geballten Fäusten. Ihre Hände näherten sich dem
Gesicht des Unbekannten und rissen ihm mit scharfem Ruck die Strumpfmaske
herunter. Die Frau starrte in ein bleiches, schweißbedecktes Antlitz mit Augen,
in denen Angst zu lesen war. Todesangst...
Stumm
musterten sich die beiden Menschen. Der Blick der Frau wanderte über den Körper
des gegen die Außenwand der Theke lehnenden Verbrechers - und blieb an seinem
Gürtel haften, an dem sich eine Lederscheide mit einem langen Dolch befand.
●
Sie kamen
fast zur gleichen Zeit an dem Lotus an. Larry warf sich hinters Steuer. Noch
ehe der Russe die Tür ins Schloss gezogen hatte, machte der Lotus Europa schon
einen Satz nach hinten. Brent wendete und raste los. Wie eine Rakete schoss der
knallrote flache Wagen aus der Ausfahrt auf die staubbedeckte Asphaltbahn, die quer
durch die Wüste führte. Links und rechts der Fahrbahn breitete sich
steppenartiges, flaches Land aus. Eine Hochebene, über die sich der dunkle
Himmel spannte. X-RAY-3 gab Gas und berichtete seinem Freund mit knappen
Worten, was sich im Kassenraum der Tankstelle abgespielt hatte. Der Lotus schob
sich vor. Auf der dunklen, schnurgeraden, in die Wüste führenden Straße brauste
der schwarze Pontiac vor ihnen her. Seine Umrisse waren mehr zu ahnen denn zu
sehen. Die weitreichenden Scheinwerfer des Verfolgungsfahrzeuges erfassten ihn
noch nicht. Der Fliehende holte das Äußerste aus seinem fahrbaren Untersatz heraus.
Aber der PS-starke Motor unter der Haube des Lotus war zu größerer Leistung
fähig. Unerbittlich und verhältnismäßig schnell holte er auf. Der Geldräuber
sah den näherkommenden Wagen im Rückspiegel. Der Gangster hatte sich die
Strumpfmaske vom Gesicht gerissen, um besser sehen zu können. Sein
breitflächiges Gesicht und die scharfen Linien links und rechts der schmalen
Lippen verliehen dem Flüchtigen einen harten Ausdruck. „Na warte“, stieß der
Gangster hervor und betätigte einen Knopf, der den elektrischen Fensterheber an
seiner Seite in Bewegung setzte. „Dass du dich an meine Fersen heftest, wird
dir nicht bekommen ...“
Lautlos war
die Scheibe herabgeglitten. Der Fahrer des Gangsterfahrzeuges starrte in Außen-
und Rückspiegel, entsicherte dann seine Waffe und wurde langsamer. Der Lotus
schoss heran. Der Verbrecher wartete noch einige Sekunden, bis er das
Verfolgungsfahrzeug voll im Rückspiegel sah. Dann hielt er seine Waffe aus dem
Fenster, richtete sie auf das herannahende Auto und feuerte. Die Schüsse
peitschten durch die Nacht. Eine Kugel schlug wenige Meter vor der Kühlerhaube
des Lotus in den Asphalt, die zweite surrte als Querschläger über das
Kühlerblech und hinterließ einen hässlichen Kratzer. Larry und Iwan zogen die
Köpfe ein. Der Russe entsicherte seinen Smith & Wesson Laser. „Ich werde
seine Reifen verdampfen lassen, Towarischtsch!“, stieß er hervor. „Oder du hast
etwas anderes vor und zeigst ihm endlich, was für ein feines Gefährt das hier
ist?“
„Genau das,
Brüderchen, plane ich.“ Larry Brent betätigte einen Knopf am Armaturenbrett und
schmunzelte. Aus versteckten Düsen drang dichter, milchiger Nebel. Dieser
künstliche Rauch, wie er zur Untermalung gespenstischer oder phantastischer
Szenen auf der Bühne Verwendung fand, hüllte den Lotus Europa im nächsten
Moment völlig ein. Der Gangster im vorausfahrenden Pontiac kniff die Augen
zusammen, nahm den Lotus nicht mehr wahr und gab noch auf gut Glück zwei
Schüsse ab, die jedoch keinen Schaden anrichteten. Nur fünf Sekunden nach dem
Einsatz der Vernebelungsanlage betätigte X-RAY-3 einen weiteren Knopf. Am
Armaturenbrett traten daraufhin Veränderungen auf. Messinstrumente, wie sie in
einem Sportflugzeug üblich waren, kamen hinter freiwerdenden Klappen oder aus
Versenkungen hervor, ln der Nebelwand, in der sich der Lotus mit hoher
Geschwindigkeit bewegte, geschah etwas Seltsames. Hinter den Kotflügeln
entstand Bewegung. Metallschwingen, elastisch und vibrierend, schoben sich aus
dem doppelwandigen Bodenblech, hinter dem Heck glitt eine Stange hervor, aus
der sich ein Höhenruder schob. Der Lotus war ein Fahrzeug besonderer Art. Er
war nicht nur als Amphibienfahrzeug zu benutzen, sondern auch als
Kleinflugzeug. Die Techniker der Firma hatten ihr ganzes Können in die
Konstruktion des Autos gelegt, von dem es nur diesen Prototyp gab. Er war durch
die PSA finanziert worden. Larry Brent hatte sich an den Kosten beteiligt,
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