1160 - Aitheran ruft
wie Sklaven behandelte und ihnen zu sterben gebot, nur weil Fremde innerhalb ihres Machtbereichs aufgetaucht waren. Um so unwirklicher und grausamer war das Geschehen, als in der mächtigen Kommandozentrale des Flaggschiffs fast niemand von ihm Notiz zu nehmen schien. Eine Gruppe von Spezialisten drängte sich um Perry Rhodans Konsole und hielt Verbindung mit der SKÖNDERHAR, aber schon fünf Meter weiter herrschte Betrieb nach Vorschrift, kümmerte sich niemand um die grellen Lichtblitze auf den Sichtflächen. Natürlich, in dieser Halle konzentrierte sich die Verantwortung für die gesamte, zwanzigtausend Einheiten starke Flotte, von der der Verband der Kranen nur ein winziger Teil war. Es hatte keinen Sinn, den Überblick zu verlieren, nur weil ein paar tausend Kranen mit dem Tod kämpften, nicht wahr? Es war alles so verdammt logisch und - unmenschlich.
„Schneller Verband greift Gegner von der Flanke an", hörte ich eine helle, klare Stimme sagen. „Vorsicht - Gravitationsschocks!"
„Verstanden", antwortete Laaju. „Gravitationsalarm ausgelöst."
Ich kannte die Waffe, die jetzt zum Einsatz kam. Sie erzeugte örtliche Gravitationswirbel, die strukturierte Materie in ihre Bestandteile zerfetzten. Der Vorteil dieser Angriffstechnik lag darin, daß sie dosiert angewandt werden konnte. Niemand an Bord der BASIS lag daran, den Angreifer physisch zu vernichten. Gravitationsschocks konnten so eingesetzt werden, daß die gegnerischen Fahrzeuge manövrierunfähig wurden. Den Besatzungen blieb keine Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Die Taktik band zusätzliche Schiffe des Gegners, indem sie sie zwang, sich um die Überlebenden zu kümmern.
Der Vorstoß des schnellen Verbands kam gerade zur rechten Zeit. Die Kranen, ohnehin die schwächste Einheit der Galaktischen Flotte, drohten zu unterliegen. Der Einsatz der Gravitationswaffe verschaffte ihnen Luft. Der Gegner war vollauf damit beschäftigt, sich des neuen, unerwartet auftauchenden Angreifers zu erwehren. Das Orterbild zeigte, wie eines der flachen Schiffe nach dem anderen auf der Strecke blieb. Die Kranen verließen mittlerweile das Schlachtfeld. Sie wurden nicht verfolgt.
Zwanzig Minuten später war die Schlacht beendet. Der schnelle Verband hatte insgesamt drei Angriffe geflogen und die Hälfte der gegnerischen Streitmacht ausgeschaltet. Dort, wo bis vor kurzem noch die Blitze der Explosionen gezuckt hatten, trieben Hunderte hilfloser Überlebender in ihren Raummonturen. Wie auf Absprache wurden die Feindseligkeiten eingestellt. Beide Seiten versuchten zu retten, was noch zu retten war. Die Galaktische Flotte zog weiter. Ein kleines Kapitel kosmischen Geschehens hatte sich in weniger als einer Stunde vor meinen Augen abgespielt. In dieser Zeit hatten Hunderte intelligenter Wesen ihr Leben verloren.
*
Irgend etwas an dem überraschenden Angriff auf den Verband der Kranen gab zu denken. Ich wußte nicht was, und worauf der Hinweis zielte, war mir ebenfalls unklar. Ich verbrachte einen unbefriedigenden Nachmittag - ständig von dem Gedanken besessen, daß ich einen wichtigen Zusammenhang entdecken würde, wenn ich nur konzentriert genug nachdächte. Entsprechende Versuche führten aber zu nichts.
Ich wollte mit Perry über meinen Kummer sprechen. In solchen Lagen wußte er gewöhnlich Rat. Die analytische Schärfe seines Geistes brachte zum Vorschein, was ich im chaotischen Gewirr meiner Gedanken vergebens zu finden suchte. Aber Perry war beschäftigt. Die Vorbereitung der letzten Hyperflugphase lief auf Hochtouren. In der Kommandozentrale knisterte die Luft vor Spannung: Nur noch ein paar Dutzend Stunden, und wir erreichten das legendenumwobene Loolandre.
Verdrossen und mich ein wenig vernachlässigt fühlend, machte ich mich auf den Weg zu Jen Salik. Jen hatte fast immer für mich Zeit. Manch einer an Bord der BASIS hatte den Eindruck, Salik sei von Perry auf ein Abstellgleis geschoben worden und trage keine seinem Rang entsprechende Verantwortung. Wer so dachte, tat Perry unrecht und bewies obendrein, daß er den Menschen Jen Salik nicht verstand. Von den beiden Rittern der Tiefe war Perry der Tatmensch, während Jen Typ des reflektiven Charakters verkörperte.
Er arbeitete gern alleine. Hektik und Unordnung waren ihm zuwider. Er liebte sein Leben geordnet, seinen Tagesablauf überschaubar und ohne Überraschungen. Perry widmete sich der Führung der Flotte. Jen leistete im Hintergrund die Geistesarbeit, die darauf abzielte, die großen
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