1161 - Der Keim des Bösen
der Tag zurückgezogen hatte. Über der Stadt lag die abendliche Dunkelheit, nur erhellt von künstlichem Licht.
Die Frau schien nicht im Haus zu sein.
In vielen Häusern der Umgebung brannten die Lichter und leuchteten hinter den Fenstern. Nicht im Haus dieser Jane Collins. Da sah alles anders aus. Es war dunkel. Aber Lukretia ging davon aus, dass Jane Collins noch eintreffen würde. Dann konnte sie zuschlagen.
Der Platz, an dem ihr Wagen parkte, war gut ausgewählt. Sie konnte die vordere Seite des Hauses im Auge behalten, ohne sich anstrengen zu müssen. Es war eine ruhige und auch teure Wohngegend, in die sich die Blonde zurückgezogen hatte. Obwohl die Häuser schon recht alt waren, sahen sie alle sehr gepflegt aus. Passend zu den Vorgärten. Beides hatte Lukretia noch vor Einbruch der Dämmerung sehen können.
Außerdem war die Straße hier nicht besonders stark befahren. So konnte die Gegend hier in Mayfair als ruhig gezeichnet werden, und die Bäume an beiden Seiten der Straße standen dort wie alte Wachtposten, die nie weichen würden.
Lukretia gehörte zu den Menschen, die Geduld aufbrachten. Nur wer sie hatte, erreichte letztendlich das Ziel. Alles andere konnte in die Irre führen.
Diese Jane Collins würde kommen, das stand fest. Und dann… Lukretia lächelte. Sie wusste noch nicht genau, wie sie vorgehen würde. Sie war jemand, der ungern Pläne machte und sich lieber auf die Improvisation verließ. Damit war sie immer gut gefahren, und das würde auch an diesem Abend so sein.
Wieder bog ein Fahrzeug in die Straße ein. Es schob einen breiten Lichtstreifen vor sich her. Immer dann duckte sich die Silberblonde hinter dem Lenkrad zusammen, da sie der Gefahr einer zufälligen Entdeckung entgehen wollte.
Diesmal glitt das Licht nicht an ihrem Wagen vorbei. Es blieb, und es schwenkte.
Für einen Moment richtete sich Lukretia auf. Nur soweit, um über die untere Kante des Fensters hinwegzuschauen. Da sah sie das andere Fahrzeug. Es fuhr in eine schmale Parklücke hinein und blieb zwischen zwei Bäumen stehen.
Lukretia lächelte. Sie hatte noch nicht gesehen, welche Person ausstieg, doch schon jetzt war sie sich sicher, dass es nur die Collins sein konnte.
Eine Wagentür wurde geöffnet. Für einen Moment sah sie auch das Licht im Innern, und dann verließ Jane Collins ihren Golf.
Lukretias Augen leuchteten auf. Sie öffnete den Mund. Sie atmete schwer und stöhnend. Für einen winzigen Augenblick tanzte der dunkle Rauch mit seinen Partikeln vor ihren Lippen.
Es lief gut für sie. Lukretia war überzeugt, dass sie den Keim des Bösen sehr bald weitergeben würde…
***
Jane Collins war innerlich zerrissen. Einerseits freute sie sich, dass sie und ihre beiden Freunde den Tag überlebt hatten, andererseits ärgerte sie sich darüber, dass sie in der Aufklärung des Falls kaum einen Schritt weitergekommen waren. Sie kannte zwar den Namen dieser Silberblonden, aber sie hatte nicht herausgefunden, was hinter ihr steckte. Sie war wie ein Phantom und ebenso wieder verschwunden. Aber es gab sie. Diese Lukretia war keine Einbildung, und Jane war sicher, dass sie irgendwann in der nächsten Zeit die Spur wieder aufnehmen würden.
Sie wollte an dieses Weib heran, das möglicherweise mit dem Tod der jungen Frau und auch mit Sarah Goldwyns Verletzung zu tun hatte. Wenn sie daran dachte, durchlief sie noch immer ein Zittern. Wie leicht hätten die Kugeln auch Janes Leben auslöschen können. Das sie noch lebte, verdankte sie auch John Sinclair, der sie genau im richtigen Augenblick zur Seite gestoßen hatte. Nach der Warnung hatte er so gut wie keine Schrecksekunde gehabt und sofort gehandelt.
Vor dem Haus hielt Jane an. Es gehörte Lady Sarah, und Jane Collins wohnte nur bei ihr. Da hatten sich zwei gesucht und gefunden. Trotz des großen Altersunterschieds gingen sie gemeinsamen Interessen nach.
Jane war alles andere als müde. Topfit fühlte sie sich, und das sollte in den nächsten Stunden auch so bleiben, wenn sie versuchte, einen Hinweis auf Lukretia zu finden.
Zur Verfügung standen ihr zahlreiche Bücher und ein großes Archiv. Und der Computer war schon eine großartige Suchmaschine. Der hatte ihr schon manches Mal geholfen.
Sie stieg aus. Die Luft war kälter geworden. Laut Vorhersage bahnte sich ein Wetterumschwung an.
In den letzten Tagen war es für den Monat Mai zu warm gewesen, schon hochsommerlich. Die Temperaturen würden wieder auf ein Normalmaß hinunter rutschen.
Als Jane die
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