1163 - Der Blut-Galan
andere Stelle gezogen. Vielleicht auch nach Schottland, wo sie noch bessere Bedingungen haben.«
Bill Conolly hatte ihr zugehört und zugleich die erleuchteten Fenster unter Kontrolle gehalten. Er wartete darauf, eine Bewegung in der Helligkeit zu sehen, doch es malte sich nichts ab.
Sie blieben vor der Tür stehen, zu der eine breite Steinstufe hoch führte.
»Alice will uns nicht, Bill.«
»Abwarten.« So leicht gab der Reporter nicht auf. Er suchte die Tür und deren Umgebung ab, fand jedoch keine Klingel und auch keinen Klopfer.
Er klopfte recht hart gegen das harte Holz. Die Echos mussten auch im Innern des Hauses zu hören sein, aber eine Reaktion erfolgte nicht.
Judy legte den Kopf zurück. »Ich habe es gewusst«, erklärte sie. »Ich wusste es von Anfang an. Sie will uns nicht. Aber warum nicht, verdammt? Ich will ihr nur helfen. Ich will nicht, dass sie… verdammt, dass sie zu einer Bestie wird.« Bevor Bill es verhindern konnte, trommelte sie mit beiden Fäusten gegen die Tür, und dabei rief sie auch mehrmals den Namen ihrer Schwester.
Keine Reaktion. Judy wirkte verzweifelt. Sie stand dicht vorm Weinen. »Warum meldet sie sich denn nicht? Sie ist meine Schwester. Sie weiß, das ich hier bin und…«
Plötzlich verschwand das Licht hinter den beiden Fenstern. In ihrer Umgebung wurde es finster.
Auch Bill hatte damit nicht gerechnet und war für einen Moment durcheinander.
Judy atmete schnaufend. »Was hat das denn nun wieder zu bedeuten?«, flüsterte sie.
»Schwer zu sagen. Möglicherweise will uns Alice klarmachen, dass wir unerwünscht sind.«
»Das hätte sie uns auch sagen können.«
»Pst!« Bill legte einen Finger auf die Lippen. Er hatte etwas gehört. Ganz in der Nähe war der schabende Laut aufgeklungen, als hätte jemand einen Riegel aufgeschoben.
Der Reporter schaute auch in die Höhe: Am und dicht unter dem Dach war nichts zu sehen. Nur die jenseits des Hauses wachsenden Bäume drückten ihr Geäst nach vorn, das oberhalb des Dachs ein Muster bildete.
Bill erkannte den Grund. Ein Fenster war aufgezogen worden. Rechts neben der Tür stand es halb offen, und dahinter zeichnete sich etwas Helles ab.
Das musste Alices Gesicht sein, und Judy sprach den Namen ihrer Schwester flüsternd aus.
Sie erhielt allerdings keine Antwort und traute sich auch nicht näher an das Haus heran.
War es das Gesicht einer Frau?
Bill hätte es gern mit einer Taschenlampe angeleuchtet, die ließ er jedoch stecken; wie Suko und John trug auch er immer eine kleine Leuchte bei sich.
»Alice, bitte…«
Das Gesicht bewegte sich in der unteren Hälfte, als Alice den Mund öffnete, um ihrer Schwester eine Antwort zu geben. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich nicht mehr hier sehen will, verdammt! Warum hältst du dich nicht daran?«
»Aber ich will dir doch helfen!«
»Unsinn. Mir baucht keiner zu helfen. Auch meine Schwester nicht. Mach dir endlich klar, dass sich unsere Wege getrennt haben. Fahr so schnell wie möglich weg. Ich will dich hier nicht mehr sehen. Es gibt keine Gemeinsamkeiten mehr zwischen uns. Es ist mir egal, ob du meine Schwester bist oder nicht. Ich kann und will, dich nicht mehr sehen.«
So leicht gab Judy nicht auf. Zudem war sie nicht allein. Sie regte sich gewaltig auf und hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. »Warum denn nicht, verdammt? Warum willst du mich nicht sehen? Was habe ich dir getan?«
»Verschwinde!« Es war die einzige Antwort, die Alice Carver ihrer Schwester gab. Keine Gründe, keine Erklärungen, einfach gar nichts.
Bill hatte sich bisher nicht eingemischt. Er hatte auch gesehen, dass sich Alice auf Judy konzentrierte und ihn nicht wahrnahm oder höchstens am Rande.
Er hatte sich etwas auf die Hauswand zugeschoben, um einen besseren Blickkontakt zu bekommen.
Mit Werwölfen hatte er seine Erfahrungen sammeln können. Er kannte diese Personen nicht nur in der Gestalt eines Wolfes, sondern auch als Menschen, und er suchte jetzt nach einem Hinweis, ob Alice Carver kurz vor der Verwandlung stand. Dabei veränderte sich einiges im Körper der Person.
Die bevorstehende Metamorphose machte Kräfte frei, die sonst nicht vorhanden waren. Auch psychisch spielten sich gewisse Vorgänge ab. Er versuchte, etwas zu erkennen. Das Zucken im Gesicht, den Beginn der Qual, denn die Verwandlung war stets mit starken Qualen verbunden.
Er sah nichts. Es war auch zu dunkel. Bill erkannte wohl, dass Alice keine roten, sondern blonde Haare hatte. Ihr Gesicht
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