1169 - Pforte des Loolandre
Verhalten war unwillkürlich ein Feindbild entstanden.
„Natürlich bleibt uns eine Möglichkeit", unterbrach Alaska Perrys Nachdenklichkeit.
„Ja?"
„Wir nehmen ihn unter Feuer."
Perry winkte ab. Er hatte eine ablehnende Erwiderung auf der Zunge. Aber in derselben Sekunde schrillte ein Alarmsignal, und von der Kommandokonsole her kam Rank Flothos aufgeregte Stimme: „Was, zum Teufel... Hat sich der Kerl hier an Bord geschlichen?"
„Anzeige Kommandokonsole", sprach Perry in Richtung des Audioservos.
Eine halbe Sekunde später erschien auf einer zweiten Bildfläche dieselbe Information, die den Alarm ausgelöst und Rank Flotho in Erregung versetzt hatte: ein schematisches Bild der EL-AMARNA. Inmitten des Netzwerks von Linien, das die verschiedenen Decks und Abschnitte des Schiffes darstellte, flackerte ein roter Punkt.
„Alaska, empfangt ihr die Mikrosonde noch?" fragte Perry hastig.
„Klar und deutlich. Chmekyr rührt sich nicht vom Fleck."
„Er ist hier", sagte Perry.
„Was...?"
„Das Feuer wollt ihr auf mich eröffnen?" quarrte eine laute, blecherne Stimme. „Mit Gewalt wollt ihr gegen den Pförtner des Loolandre vorgehen? Wartet, ich will euch den nötigen Respekt lehren. Unewig sollt ihr sein wie die andern!"
Perry wandte sich um. Nach den Ereignissen der vergangenen Sekunden war der Anblick, der sich ihm bot, keine Überraschung mehr. Chmekyr stand am Fuß der Kommandokonsole. Die großen Augen blitzten zornig. Zwei seiner drei Arme hatte er zu einer drohenden Geste erhoben. Die vier Blütenstängel auf seinem Schädel zitterten wie von verhaltener Erregung.
Das Unglaubliche war geschehen. Der Gnom schwebte, 32 Lichtstunden entfernt, zwanzig Kilometer außerhalb der BASIS. Daran gab es keinen Zweifel; das Signal der Mikrosonde war eindeutig. Gleichzeitig aber befand er sich an Bord der EL-AMARNA. Ein Doppelgänger? Nein. Es war das Signal derselben Sonde gewesen, das Rank Flotho in Aufregung versetzt hatte. Chmekyr hatte sich gespalten - mitsamt der Sonde, die ihm von Gucky in die runzlige Haut gesetzt worden war.
„Niemand wird auf dich schießen", versuchte Perry, das Fremdwesen zu besänftigen.
Über die Hyperkom-Verbindung hörte er Alaska Saedelaere sagen: „Ich sehe ihn! Ich sehe ihn! Das ist doch..."
„Dein Sinn ist Falschheit, deine Worte sind Lügen" schrillte der Gnom. „Wesen eurer Art kann man nicht trauen. Niemals sollt ihr den Loolandre zu sehen bekommen. Dafür sorge ich, der Pförtner!"
Dann war er verschwunden. Perry machte eine halbe Drehung mit dem Sessel.
Chmekyr hatte sich nicht weit entfernt. Auf der Schematik markierte der flackernde rote Fleck seinen Standort drei Decks unterhalb der Zentrale. Er hielt sich dort nicht lange auf.
Sekunden später erschien er in der Nähe der oberen Polschleuse, nach abermals ein paar Augenblicken materialisierte er im Aggregateraum des Hypertrops. Der zweite Chmekyr-Zwilling verhielt sich ebenso, wie es der erste zuvor an Bord der BASIS getan hatte: Er sprang scheinbar ziellos hin und her.
„Ist eurer noch da?" wandte Perry sich an Alaska.
„Unverrückt", lautete die Antwort. „Er bewegt sich nicht."
Rein zufällig ging Perrys Blick in Richtung der Konsole, an der Sato Ambush über seinen Tastaturen kauerte. Er war so mit sich selbst beschäftigt, daß ihm Chmekyrs kurzer Auftritt entgangen sein mußte. Perry schüttelte den Kopf. Mit einer wortlosen Geste bat er Alaska um Verständnis, dann unterbrach er die Hyperkom-Verbindung. Er stand auf und ging zum Arbeitsplatz des Pararealisten.
„Du sprachst von einem bedeutenden Ereignis", sagte er, „und jetzt hast du es ganz und gar versäumt."
Sato Ambush sah zu ihm auf. Eine Zehntelsekunde lang spiegelte sich Verständnislosigkeit in seinem Blick. Aber dann erhellte sich die asketische Miene, und ein freundliches Lächeln erschien.
„Du meinst den Zwerg?" fragte er und fuhr, ohne Perrys Antwort abzuwarten, sogleich fort: „Oh nein, das war es nicht. Ich warte auf etwas viel Wichtigeres."
*
Eine Stunde verstrich ohne besondere Ereignisse. Chmekyr bewegte sich wie ein Vagabund durchs Innere des Schiffes, ohne daß man erkennen konnte, welche Absicht er verfolgte. Sein Zwilling hielt sich nach wie vor in unmittelbarer Nähe der BASIS auf. Die Meß- und Nachweisinstrumente arbeiteten unermüdlich. Eine Gruppe wissenschaftlicher Computer verarbeitete die Ergebnisse und versuchte, auf analytischem Weg die Struktur der milchig schimmernden Barriere zu
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