117 - Die Pranke der Sphinx
dazu, daß Franca Centis ihm mehr vertraute, als
dem schnell aus der Haut fahrenden Murato.
Er grinste, als er daran dachte, durchstöberte das ganze
Regal, die persönlichen Utensilien und fand unter alten Kleidern das, was er
suchte: eine Kassette aus Stahl.
Aber sie war verschlossen.
Der Italiener rüttelte und riß am Deckel. In der Kassette
raschelte es. Darin wurde Papier aufbewahrt. Wichtige Unterlagen, in die nur
Centis Einblick gehabt hatte.
Zagettis Herz schlug schneller. Er fühlte sich sicher und
hatte keine Angst mehr vor Entdeckungen. Dieser Brent war voll beschäftigt, und
Murato würde ihn sicher keine Sekunde aus den Augen lassen.
War der Amerikaner ein Abenteurer? Er wußte verdammt viel
und spielte sich angeblich als Retter und Helfer auf. War das auch seine
wirkliche Absicht? Waren die Papiere, die Franca Centis eingesehen hatte,
überhaupt echt? Konnte es nicht vielmehr so sein, daß er gekommen war — weil er
ebenfalls scharf auf den Schatz war, von dem plötzlich alle etwas ahnten?
Carlo Zagetti wollte ihnen zuvorkommen.
Die Kassette, in der möglicherweise das lag, was er
suchte, ließ sich nicht öffnen.
Aber es mußte ja einen Schlüssel dazu geben. Da Centis ihn
nicht bei sich trug — er hatte die Hosentaschen des Toten schon daraufhin
untersucht — mußten sie logischerweise irgendwo hier im Zelt sein. Er mußte sie
finden!
In sämtlichen Behältern und Kleidungsstücken sah er nach.
In einer gut versteckten Brieftasche in einem winzigen Seitenfach fand er, was
er suchte, schneller, als er erwartet hatte. In seinen Augen flackerte ein
triumphierendes Licht.
Überhastet schloß er die Metallkassette auf. Darin lagen
der Papyrus und besondere Textstellen, von denen er nie etwas gehört hatte.
Das Pergament raschelte zwischen seinen Fingern, als er
es entrollte.
Schwarzmagische Formeln! Yson-Thor hatte sich mit
finsteren Mächten eingelassen, die ihm eine Wiederkehr prophezeiten. Aber das
war nicht alles.
Er und die Sphinx waren auf geheimnisvolle Weise
miteinander verbunden und ...
Da wurde die Zeltplane zurückgeschlagen.
Blitzartig warf Zagetti seinen Kopf herum.
Enio Murato!
Er wollte etwas sagen, aber die Situation schien ihm den
Atem zu verschlagen.
Daß Zagetti Zugang zu den privatesten Dingen Centis'
hatte, wurde ihm in diesem Moment bekannt.
»Zagetti!« Die harte Stimme des älteren Archäologen
hallte durch die Nacht.
Das bleiche Antlitz des anderen wurde von der Gaslaterne
angestrahlt und wirkte noch gespenstischer.
Zagetti fühlte sich ertappt. Er stand da mit dem Papyrus,
in der anderen Hand hielt er noch die Schlüssel für die Kassette.
»Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie solches Vertrauen
genießen«, bemerkte Murato rauh. »Ich war immer der Ansicht, daß Centis nur
ganz allein wußte, was er wollte, daß er aber seinen Triumph mit uns teilen
wollte.«
Murato kam mißtrauisch näher. Seine Augen wurden zu
schmalen Schlitzen, sein Mund war fest zusammengepreßt.
»Centis wußte zuviel — und wir zu wenig«, entgegnete
Zagetti rauh. Die Hand, in der er die Schlüssel hielt, öffnete und schloß sich
nervös. »Hier habe ich den Beweis. Er wollte uns übergehen. Er hat uns nicht
als Freunde betrachtet, sondern als Handlanger, die bereit waren, einen Traum
mit ihm zu teilen. Aber geteilt hätte er das, was er suchte — nie!«
Murato schüttelte den Kopf. »Ich hätte es nie für möglich
gehalten. Zagetti.
Wollten Sie nicht ein paar Fackeln holen? Es war Ihnen
doch zu dunkel in der Gruft...«
Es hatte keinen Sinn, zu leugnen. »Machen wir uns doch
nichts vor, Murato. Wir wurden hintergangen, ist Ihnen das klar? Centis machte
sich allein auf den Weg, um die zweite Grabkammer zu suchen.«
»Zweite Grabkammer?« Daß es eine solche gab, davon hatte
er nichts geahnt.
»Na, sehen Sie, Sie wußten es auch nicht. Hieraus aber
geht es eindeutig hervor.«
Carlo Zagetti wedelte mit dem Pergament und holte mit
spitzen Fingern kleine Zettel aus dem Innern der Kassette, auf denen wichtige
Auszüge standen, die jedoch nicht vollständig waren. »Er hat etwas riskiert.
Das muß man ihm lassen.«
»Ich will es nicht wissen. Ich finde das, was Sie getan
haben, verabscheuungswürdig.«
Zagetti zog die Augenbrauen hoch. »Skrupel. Murato?
Warum? Erkennen Sie denn nicht, wie der Hase läuft?«
»Ich bin in diesen Dingen etwas schwerfällig. Es tut mir
leid. Ich komme nicht mit.«
»Centis ist tot. Was aus Owl wurde, wissen wir nicht.
Aber es sieht doch ganz
Weitere Kostenlose Bücher