117 - Die Pranke der Sphinx
so aus, als ob auch er heimlich etwas herausgebracht
hatte, von dem er hoffte, daß er es allein schaffen würde.«
»Und nun hoffen Sie das gleiche.«
»Ich denke da ein bißchen anders. Wir sind zu zweit. Wir
sollten uns zusammensetzen und klar die Dinge besprechen. Wir müssen die Fehler
vermeiden, welche die anderen begangen haben, Murato! Es geht um verdammt viel
Geld, und Centis hatte die Erlaubnis, alles außer Landes zu bringen. Offenbar
glaubte man
nicht mal an höchster Stelle, daß es diesen sagenhaften
Reichtum des Yson-Thor überhaupt gibt. Die Erzählungen, die über ihn im Umlauf
sind, erinnern mehr an ein Märchen aus Tausend-und-einer-Nacht denn an die
Wirklichkeit.«
Murato schüttelte den Kopf. Er hatte seine eigenen
Gedanken. »Ich begreife Sie nicht, Zagetti. Ich muß Ihnen ehrlich sagen, daß
ich enttäuscht von Ihnen bin. Dieser Brent scheint mir ganz in Ordnung zu sein.
Es sieht ganz so aus. als ob er im richtigen Augenblick kam, um uns die Dinge
vor Augen zu halten, die wir unterschätzt haben. Es stimmt, was er sagte: die
ägyptische Mythologie ist voller Geheimnisse und Rätsel. Einzelnen Personen
gelang es immer wieder, in die Welt und die Mächte der Finsternis einzudringen
und Geheimnisse von dort in dieses, ihr Leben, zu bringen. Welche Abmachungen
da getroffen wurden, konnte nie ergründet werden. Nie begriffen wir Heutigen,
daß so etwas wie Magie und Schwarze Zauberkunst überhaupt möglich wären. Wir
leben in einem voll technisierten Zeitalter, Zagetti. Der Mensch hat seinen Fuß
auf den Mond gesetzt, aber in das Dunkel der Dämonen- und Geisterwelt dringt er
heute nicht mehr vor, er ignoriert es einfach. Vielleicht könnte Centis noch
leben, wenn er das alles besser durchdacht hätte. Owl beging den gleichen
Fehler — oder wurde ein Opfer der wiederbelebten Mumie des Yson-Thor, die
schließlich auch Franca Centis geholt hat. Wir sollten jetzt Eifersüchteleien
und Eigennützigkeit untergraben und diesem Brent helfen. Das ist meine Meinung.
Das, was Sie tun, paßt nicht hierher.«
»Sie denken gar nicht an das viele Gold?«
»Nein, nicht im Moment. Jetzt sind andere Dinge
wichtiger.«
Zagetti lachte hart. »Sie sind ein Narr, ein Träumer! Sie
wissen nichts von der Realität.«
»Verschließen Sie die Kassette wieder und kommen Sie mit
mir! Wir werden drüben in der Gruft wichtiger gebraucht. Ich will vergessen,
was ich hier gesehen habe.«
»Es könnte für uns aber lebensrettend sein, zu wissen,
was hier geschrieben steht«, kam Zagetti mit dieser Masche.
»Wenn es so wäre, hätten Sie anfangs anders gesprochen.
Kommen Sie! Wir brauchen Licht, viel Licht.«
Da sah Murato es in den Augen seines Gegenübers
aufblitzen. Er glaubte nicht, was er sah, aber er las seinen Tod in diesem
Blick.
Und es ging alles blitzschnell...
Mit einem einzigen Schritt stand Zagetti vor ihm, warf
die Kassette gleichzeitig mit einem berechneten Schwung auf das Lager des toten
Professors, packte Murato am Kragen und riß ihn herum, ehe der Mann zu einer
Gegenwehr kam.
Murato, stämmig, untersetzt, keineswegs ein Schwächling,
wurde durch den Angriff überrascht.
Er erhielt einen Stoß gegen die Brust, taumelte nach
hinten, verlor das Gleichgewicht und stürzte.
Er suchte instinktiv nach einem Halt, griff zum Tisch,
der mit handschriftlichen Bemerkungen und Skizzen übersät war und riß ihn mit
sich.
Entsetzt sah er, wie Zagetti nach einem in der Ecke
stehenden Pickel griff, ihn hochriß und dann mit voller Wucht herabsausen ließ!
●
Gold! Eine Halle voll Gold! Es ist wie im Märchen!
Überall blinkte und glitzerte es und für nichts mehr sonst hatte sie Gedanken
und Augen.
Herrliche Vasen aus purem Gold ... mannsgroß standen sie
in besonders vorbereiteten Nischen, die mit dünnen Goldplatten ausgeschlagen
waren. Die Hieroglyphen darin bedeckten die Platten vollständig und erzählten
von wichtigen Stationen aus dem Leben des Gott-Königs, der vom Goldrausch
besessen war. Es gab goldene Bilder. Lange, schwere Ketten hingen an den
Wänden.
Franca Centis stand da wie angewurzelt, und nur noch ihre
Augen schienen zu leben.
Dann setzte sie sich wie eine ferngesteuerte Puppe in
Bewegung. Ihre Glieder schienen nicht mehr ihrem Willen zu gehorchen. Sie
setzte einen Fuß vor den anderen, nur noch von einem einzigen Gedanken beseelt,
dieses Gold zu berühren und es in die Hand zu nehmen: Herrliche Ketten, Ringe,
Geschmeide, die kostbar gestalteten Truhen, die überquollen von
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