1172 - Die Macht des Kreuzes
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Ich blieb bewegungslos stehen. Die großen Katzen mochten es und umkreisten dabei meine Beine. Sie waren sehr nahe an mich herangekommen, so dass ich an den Beinen die Berührungen ihrer starken Körper spürte.
Ob sie friedlich bleiben würden, lag einzig und allein an mir. Deshalb tat ich nichts, um sie zu provozieren. Ich stand da wie der berühmte Laternenpfahl, gegen den der Hund pinkelte.
Die Tiere sahen nicht einmal sehr groß aus. Was sich änderte, denn der erste Panther stellte sich auf seine Hinterbeine und streckte seinen Körper. Zugleich auch die Vorderpfoten, und plötzlich spürte ich sie auf meinen Schultern.
Auch das noch…
Das Gesicht des Tieres sah ich dicht vor mir. Die Augen, die mir so metallisch vorkamen. Das weit geöffnete Maul mit dem scharfen Gebiss, zwischen dem der dünne, blasse Schleim des Speichels hing.
Es war alles andere als ein Vergnügen, mit dem Blick in den Rachen der Raubkatze zu tauchen. Gegen Dämonen zu kämpfen, war besser. Da hatte ich noch meine Chance. Hier aber konnten die Tiere schon durch das geringste Zucken provoziert werden.
Fünf andere Panther hielten mich umringt. Ewig konnte ich in dieser Haltung auch nicht verharren. Genau das ahnten die Tiere. Zumindest zwei von ihnen beschäftigten sich plötzlich mit meinen Kniekehlen. Die ersten Stöße waren leicht, die konnte ich noch abfangen. Bei den folgenden aber knickte ich ein. Sofort folgten weitere, so dass ich erst gar nicht dazu kam, mich wieder aufrecht zu stellen.
Ich geriet ins Stolpern. Es passierte das, was die Tiere mit ihrer Provokation wohl gewollt hatten.
Als ich nach vorn fiel, verschwanden auch die Pfoten von meinen Schultern. Es war niemand da, der mir Halt gab oder mich aufgefangen hätte. Ich musste mir schon selbst helfen. Die Tiere huschten wie Schatten zur Seite. Sie wollten wohl nicht, dass ich auf sie fiel, und so konnte ich mich gerade noch mit den Händen abstützen, um nicht hart auf das Gesicht zu fallen.
Für einen Moment blieb ich auf dem Bauch liegen. Das war doch nicht wahr! Verdammt, ich träumte.
Der fauchende Atem, der meinen Nacken traf, war alles andere als ein Traum. Einen Augenblick später lagen plötzlich die spitzen Zähne auf meiner dünnen Haut im Nacken. Es tat nicht weh, sie bissen auch nicht zu. Aber sie waren eine Warnung für mich.
Jetzt hatten sie mich endgültig. Ich musste einige Sekunden warten, bis der Druck des Gebisses verschwand. Trotzdem bewegte ich mich vorerst nicht. Ich wartete ab.
Sie ließen mich nicht in Ruhe. Aber es waren nicht mehr alle Tiere, die um mich herumstrichen. Da kam mir wirklich der Vergleich mit der Katze in den Sinn, die um den heißen Brei herumstreunte. Nur waren es keine Katzen, sondern Panther, und als Brei fühlte ich mich auch nicht eben wohl. Ich hasste es, auf dem Bauch zu liegen. Man fühlte sich irgendwie vernichtet. Wehrlos und auch völlig von der Rolle. Ich kam mir vor wie ein Toter, dem man noch eine Chance gegeben hatte, wieder ins Leben zurückzukehren.
Die Chance musste ich nutzen.
Als ich mich zunächst langsam zur Seite drehte, passierte nichts. Kein Tier schlug seine Pranke auf meinen Körper, kein Gebiss zielte in Richtung Kehle, und ich konnte mich tatsächlich den Umständen entsprechend gut bewegen.
Allerdings war auch weiterhin die Vorsicht am Wichtigsten. So vermied ich jede schnelle, hastige und auch überflüssige Bewegung.
Kein Tier sollte provoziert werden.
Schließlich lag ich auf dem Rücken!
Beinahe hätte ich gelacht, denn ich kam mir vor wie ein Romantiker, der gegen den Himmel schaut. In diesem Fall war es ein Himmel ohne Sterne, aber ich sah trotzdem das Licht und natürlich die helle Gestalt, die über dem Wagen schwebte.
Emily hatte alles im Blick. Sie schaute auch zu mir hinab und winkte mir sogar. »So gefällst du mir gut, John. Es ist das, was ich mir gewünscht habe. Wie ich dir schon sagte, ich bin nicht dafür, dass du stirbst. Es liegt an dir.«
»Schön«, meldete ich mich so laut, dass sie es gerade verstehen konnte. »Aber irgendwie muss das Spiel ja weitergehen. Oder ist das schon das Ende?«
»Nein, wir haben erst die Mitte erreicht. Ich wollte dich aus dem Gefecht haben, damit ich mich gleich um jemand kümmern kann. Vergessen habe ich nichts.«
»Das kann ich mir sogar denken.«
Dann passierte etwas, mit dem ich schon lange gerechnet hatte und mich trotzdem freute, dass es noch nicht eingetreten war. Glenda hatte es im Wagen nicht länger ausgehalten.
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