1173 - Der irre Doc
Freund irgendwelcher Spekulationen. Zur Not muss uns auch Vernon Walters helfen.«
»Der hängt mit drin. Irgendetwas wird auch in dieser Nacht noch passieren, da bin ich mir sicher. Sonst würde Walters nämlich nicht in seinem Van da gegenüber stehen und warten. Ich frage mich, worauf er wartet. Sagen Sie es?«
»Nein, das wird er uns sagen. Ich habe hier auch lange genug gesessen. Das Hospiz ist unbeobachtet. Inzwischen kann der Leichenschänder schon wieder zugeschlagen haben.«
»Ist noch zu früh.«
»Darauf verlasse ich mich nicht.«
»Sie haben wohl immer Ihren eigenen Kopf, wie?«
Ich nickte ihm zu. »Darauf können Sie sich verlassen, Mr. Lamont. Was haben Sie getrunken?«
»Nicht viel. Nur zwei Bier und drei Gin.«
»Okay, ich übernehme die Rechnung.«
»Danke, sehr großzügig von Ihnen.« Er grinste breit. »Wir sollten uns öfter treffen.«
Darauf erhielt er keine Antwort. Ich zahlte und stand dann auf. Gemeinsam verließen wir die Kneipe und mussten uns einige Kommentare anhören. »Geht ihr jetzt die Leichen besuchen?« Ein Lachen folgte.
Ein anderer rief: »Ich habe gehört, dass du sogar mit den Toten tanzt, Eric.«
»Klar, aber nur heißen Rock. Das schüttelt die Knochen so schön durch.«
Ich stand als erster draußen. Während unseres Gesprächs hatten wir immer wieder mal aus dem Fenster geschaut. Der Van war nicht verschwunden, und auch jetzt parkte er noch dort, wo er abgestellt worden war. Wir ließen uns beim Überqueren der Straße Zeit, und ich behielt auch die Front des alten Hospizes im Auge.
Dort gab es nichts Neues zu sehen. Außerdem war nur der obere Teil des Bauwerks zu erkennen, das über den Hinterhof hinausragte. Und hoch über ihm stand der Mond und glotzte als scharf umrandeter Kreis in die Tiefe.
Der Van wirkte hier wie ein Fremdkörper. Es hatte sich noch keiner an ihm zu schaffen gemacht.
Wahrscheinlich kannte man seinen Besitzer in dieser Gegend und wollte auch keinen Ärger bekommen. Das Liebespaar war verschwunden. Es hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre.
Wir näherten uns dem Fahrzeug von vorn. Zunächst sahen wir nichts hinter der Scheibe, doch beim Näherkommen stellten wir fest, dass sich dahinter schwach der Umriss einer Gestalt abmalte. Demnach hatte Vernon Walters sein Auto nicht verlassen, was mir wiederum seltsam vorkam. Was trieb einen Mann dazu, sich zu dieser späten Stunde in sein Fahrzeug zu setzen und zu warten?
Ich wusste es nicht, aber mein Misstrauen blieb. Der neben mir hergehende Eric Lamont wunderte sich auch. Er flüsterte etwas vor sich hin, das ich nicht verstand.
Wir blieben erst gar nicht vor der flachen Kühlerhaube des Vans stehen, ich ging gleich an die Fahrerseite und öffnete die Tür.
Auch jetzt bewegte sich der Mann nicht. Es war tatsächlich Vernon Walters, in der Innenbeleuchtung deutlich zu erkennen. Dabei sah ich noch mehr. Schon auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es ihn erwischt hatte.
Vernon Walters war tot!
***
Ich tat zunächst nichts. Ich berührte ihn nicht, ich drückte ihn nicht zur Seite, sondern drehte nur den Kopf nach rechts. Dort stand Eric Lamont. Ich nahm ihm die Sicht auf den Mann, und er fragte:
»He, ist Walters eingeschlafen?«
»Nein, er ist tot!«
Pause. Kurz nur. Dann die erste Antwort. »Ach du Scheiße, das darf nicht wahr sein!«
»Ist es aber«, gab ich zurück. »Und wie kam er um?«
Davon wollte ich mich auch noch überzeugen, denn Genaues hatte ich nicht gesehen. Ich öffnete die Tür so weit wie möglich und ließ sie auch offen.
Als ich meinen Kopf tiefer in den Van hineinsteckte, fiel mir sofort der Blutgeruch auf. Die Quelle lag nicht weit von mir entfernt, und beim zweiten Hinschauen entdeckte ich sie.
Das Blut war aus dem Schnitt an der Kehle des Mannes gedrungen und hatte seinen Weg nach unten gefunden. Durch die Kleidung war es aufgesaugt worden und hatte ihr einen rotbraunen Farbton gegeben. Der Kopf des Toten war zur Seite gesackt, sein Körper nicht, denn der wurde durch den Gurt gehalten.
»Scheiße!«, flüsterte Lamont, »das hat er nicht verdient. Der Killer war schneller.«
Leider war er das gewesen. Ich strich über die Haut des Toten hinweg. Sie fühlte sich noch warm an. Demnach konnte er noch nicht lange tot sein.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte Lamont.
»Nichts.«
»Ähm… wieso?«
»Wir werden ihn hier im Wagen sitzen lassen. Zunächst mal.«
Das wollte nicht in seinen Kopf. »Aber Sie müssen doch Ihre Kollegen
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