1173 - Der irre Doc
Wahrscheinlich wollte er mich locken, doch ich wartete noch ab. Allerdings hielt ich jetzt meine Beretta in der Hand.
Er zeigte nicht mehr von sich.
Abwarten, stehen bleiben. Das tat ich nicht. Auf Zehenspitzen schlich ich näher. Wahnsinnig vorsichtig, schussbereit, so leise wie möglich. Der andere sollte nichts hören.
Plötzlich bewegte er sich.
Und dann überstürzten sich die Ereignisse. Es war mein Pech, dass ich auf einer Treppe stand und nicht den entsprechenden Halt hatte. Wäre es anders gewesen, hätten sich die Dinge auch anders entwickeln können. So aber wurde ich überrascht. Ich hörte wieder die schnellen, schrillen und hohen Schreie.
Einen Moment später erschien eine nackte Gestalt. Sie war um die Ecke gedrückt worden. Sie war nackt. Sie war knochig. Sie war alt, und sie war nicht der Schlächter.
Er hatte sich eine Leiche aus dem Kosmetik-Raum geholt und schleuderte mir den nackten Toten entgegen…
***
Suko hatte den BMW auf dem Hof geparkt und abgeschlossen. In dieser Gegend konnte man nie wissen, was einen an Überraschungen erwartete. Sein Begleiter hatte sich nicht getraut, die Tür zu öffnen. Das blieb Suko überlassen, und so warf er dann kurze Zeit später einen ersten Blick auf den Arbeitsplatz seines Freundes.
Eine Offenbarung war es nicht. Da stand ein alter Schreibtisch inmitten einer hallenartigen Umgebung, in der es zwar eine Treppe und auch mehrere Türen oben wie unten gab, sich aber kein Möbelstück verirrt hatte.
Suko ging auf den Schreibtisch zu. Das Licht reichte aus, um nicht nur das Telefon zu erkennen, sondern auch den abgeschnittenen Daumen. Beide zusammen bildeten ein makabres Stillleben.
Suko blieb am Schreibtisch stehen und schwieg. Er hörte, wie Lamont auf ihn zutrat und ihn dann leise ansprach. »Sie sehen, Suko, dass ich Sie nicht angelogen habe.«
»Das hatte ich auch nicht erwartet.«
»Und was sollen wir jetzt tun?«
»Sie nichts, Eric. Oder nur indirekt. Sie sind hier so etwas wie ein Chef und kennen sich bestimmt aus.«
»Kann man sagen.«
»Dann erklären Sie mir bitte die Funktionen der Türen. Ich möchte gern wissen, was ich dahinter finde.«
Lamont tat es. Er begann mit den unteren Türen, erklärte die Funktion der Räume, und Suko unterbrach ihn mit keiner Zwischenfrage. Bis er wissen wollte, wohin die Türen auf der Galerie führten.
Da musste Eric passen. »Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Sie sind verschlossen.«
»Auch für den Schänder?«
Eric zuckte mit den Schultern.
Suko blieb hart. »Sie wissen wirklich nicht, was sich hinter den Türen dort oben verbirgt?«
»Nein, ich habe keine Ahnung. Ich kann Ihnen nur sagen, was mir Vernon Walters erzählt hat. Früher befanden sich dort die Krankenzimmer. Aber man hat sie später einreißen lassen. Jetzt sollen da sogar noch die Trümmer liegen.«
»Gibt, es noch Schlüssel zu den Türen?«
»Bestimmt, Sir. Ich habe sie nicht. Und Mr. Walters können wir nicht mehr fragen. Aber warum interessieren Sie sich so stark für diese Türen? Die Leichenkosmetik läuft doch ganz woanders ab.«
»Das haben Sie schon Recht. Ich verschaffe mir nur gern einen allgemeinen Überblick.« Suko wollte wissen, welchen Weg sein Freund John Sinclair genommen hatte.
Eric zeigte ihm auch den Zugang.
In der offenen Tür und vor der Treppe blieb der Inspektor stehen. Er sah aus wie jemand, der stark nachdachte. In der Tat überlegte Suko, ob er den gleichen Weg gehen sollte, aber er entschied sich dagegen. In einem alten Krankenhaus gab es bestimmt Verbindungsgänge. Die musste es einfach aus Brandschutzgründen geben. Gänge oder Flure, die zu Notausgängen wurden. Genau dabei gab es bestimmt gewisse Querverbindungen.
»Sind die drei Räume der Leichen-Kosmetik durch Türen miteinander verbunden?«
»Nein!«
»Man muss also immer gesondert eintreten?«
Eric nickte.
»Das erleichtert die Arbeit nicht gerade.«
»Die Leute arbeiten ja getrennt. Der Leichenwäscher ist kein Kosmetiker.«
»Wäre auch komisch gewesen«, sagte Suko, der sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen konnte.
»Okay, Mr. Lamont, dann zeigen Sie mir noch einmal, wo die Leichen aufbewahrt werden.«
»Gut.«
»Es sind vier, nicht?«
»Ja. Zwei Frauen und zwei Männer. Eine Frau ist noch sehr jung. Sie kam durch einen Unfall ums Leben.« Eric schüttelte sich. »Egal wie, der Tod ist immer schlimm.«
Suko hatte genug gehört. Als er auf die Tür zur Leichenkammer zuging, da überlegte Lamont noch, ob er mitgehen
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