1173 - Der irre Doc
du?«
»Ach. Wieso das denn?«
»Das spüre ich doch. Du sitzt hier auf dem Stuhl wie auf einer heißen Herdplatte. Und du traust dich nicht, aufzustehen. Du wartest darauf, dass sich John meldet, aber er hält sich zurück und wird sein Handy bestimmt ausgeschaltet haben.«
Der Inspektor lächelte. Durch diese Reaktion gab er Shao Recht, die durch ihr langes Haar fuhr, es nach hinten drückte und dann weitersprach. »Also ich halte dich nicht hier in der Wohnung. Meinetwegen kannst du fahren. Es wird möglicherweise sogar besser sein, wenn du versuchst, John zu unterstützen.«
Suko nickte. »Wie spät haben wir denn jetzt?«
»Bis Mitternacht hast du noch eine Stunde. Sogar etwas mehr.«
»So lange will ich nicht warten.«
»Das denke ich auch.«
Suko stand auf. Er war froh, dass Shao das Eis gebrochen hatte. Zudem ärgerte er sich über seinen Freund Sinclair, der mal wieder seinen eigenen Kopf hatte und damit durch die Wand wollte. Es wäre ja nicht das erste Mal gewesen.
Shao brachte ihn noch bis zur Tür. »Gib auf dich Acht«, sagte sie und legte ihm beide Hände auf die Schultern. Besorgt schaute sie in sein Gesicht. »Manchmal können normale Menschen ebenso gefährlich sein wie Dämonen oder noch schlimmer.«
»Wie kommst du darauf?«
»Nur so«, sagte sie leise. »Es ist einfach das Gefühl. Leichenschändungen gibt es genug.«
»Aber diese sind schon ungewöhnlich.«
»Muss ich dir denn sagen, wie pervers die Menschen manchmal sein können?«
»Nein, das brauchst du nicht, Shao. Aber ich werde es schon herausfinden.« Er hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen und befand sich kurze Zeit später schon im Lift nach unten.
So langsam sich Suko auch in seiner Wohnung bewegt hatte, so sehr beeilte er sich unten in der Tiefgarage, wo sein BMW stand. Er konnte es kaum erwarten, im Wagen zu sitzen und zu starten.
Durch die Elektronik der Fernbedienung konnte Suko das Tor öffnen und schoss raketenartig die Rampe hoch, um sich kurz danach in einen Verkehr einzureihen, der gar nicht nach London passte, weil er so gut wie nicht vorhanden war.
Es gab Orte, wo in dieser Nacht noch der Bär los war, aber nicht hier. Suko wusste, wohin er fahren musste. Erfreut war er darüber nicht, denn die Gegend gehörte nicht eben zu den touristenfreundlichen Ecken in London. Wer dort lebte, der bewegte sich mehr am Rande der Gesellschaft, und gern wollte Suko seinen BMW dort nicht parken. John hatte ihm erzählt, dass er in einen Hinterhof fahren musste, und nach dessen Zufahrt suchte Suko.
Es gab hier keine Szenekneipen. Ein paar verloren wirkende Pubs in einer tristen Umgebung, in der sich selbst die Straßenleuchten angepasst hatten und kaum Licht gaben. Zumindest verlor sich der größte Teil auf dem Weg nach unten.
Die schmale Straße fand er beim zweiten Versuch. Langsam schob sich der dunkle Wagen hinein.
Er wirkte mit seinen kalten Scheinwerferaugen wie ein Raubtier auf der Pirsch. Auf der linken Seite ragten die alten Fassaden der dicht zusammenstehenden Häuser hoch. Es gab auch eine Kneipe, in der noch Gäste saßen, und in der feuchtschwülen Luft hatte sich Dunst gebildet. Er schwebte wie ein grauer dünner Trauerflor über den Boden und kroch auch hinein in das Licht der beiden Scheinwerfer, oder stieg an den Wänden hoch.
Als Suko an einem parkenden Van vorbeigefahren war, wobei er die Einfahrt noch nicht entdeckt hatte, musste er plötzlich hart auf die Bremse treten.
Mit einem Fußgänger hatte er zwar gerechnet, jedoch nicht mit einem Betrunkenen, der aus der Kneipe gestolpert war und torkelnd die Straße überquerte.
Der Mann zuckte zurück, fiel wieder nach vorn und stützte sich auf der Kühlerhaube ab.
Kopfschüttelnd stieg Suko aus und erreichte den Mann, der sich wieder erhob. Suko sah, dass er ein älteres Semester vor sich hatte und hörte auf sein Gefühl, das ihm sagte, dass dieser Mann unter Umständen wichtig für ihn sein konnte.
»Glück muss der Mensch haben«, sagte Suko. »Es hätte auch schlimmer für Sie ausgehen können.«
Als Antwort erntete Suko ein Nicken. Er sah auch, wie der Mann über sein Gesicht strich, aber nicht fähig war, etwas zu sagen. Stattdessen schüttelte er mehrmals den Kopf. In seinen Augen hatte sich ein ängstlicher Ausdruck eingenistet.
»He, was haben Sie denn?«, sagte Suko. »Sie leben noch, Mister! Was sind das für Probleme?«
»Keine…«
»Das glaube ich nicht.«
»Fahren Sie weiter, Mann.«
Suko sah, wie sein Gesprächspartner den
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