1178 - Lisas Totenruf
nicht gut, ihm zu widersprechen, obwohl er lieber verschwunden wäre.
Serrano machte sich bereits am Riegel zu schaffen. Curzi schaute nicht hin. Er hatte der Tür seinen Rücken zugedreht und blickte über die nahen Grabstätten hinweg. Etwas Verdächtiges nahm er nicht wahr. Dennoch blieb er vorsichtig.
Es kratzte und schabte hörbar, als Serrano sich daranmachte, den Riegel zu lösen.
»Okay, offen.«
Curzi drehte sich um. Sein Freund war dabei, die Tür aufzuziehen. Beide waren von der Spannung erfasst worden. Curzi zielte mit seiner Waffe auf den immer größer werdenden Spalt. Der Finger lag am Abzug. Er war bereit, sofort abzudrücken.
Aus dem Innern wehte ihnen ein widerlicher Gestank entgegen. Er war nicht als muffig zu bezeichnen, sondern einfach nur als atemberaubend. Er schwappte gegen ihre Münder und auch gegen die Nasen, sodass sie gezwungen waren, für einige Sekunden die Luft anzuhalten.
»Bleib du mal draußen!«, zischte Mario seinem Kumpan zu, als er die Gruft betrat. Sein Herz klopfte dabei recht schnell. Er war nervös, doch das wollte er nicht zeigen.
Licht brauchten sie nicht. Durch die offene Tür drang genügend Helligkeit in die andere Welt hinein, in der noch immer die Särge am gleichen Platz standen. Es hatte sich wirklich nichts verändert, wie Mario recht schnell feststellte und sich auch besser fühlte.
Bis auf eines.
Die Blonde war nicht mehr da!
Er wollte es zunächst nicht glauben. Dann dachte er an den Brief. Danach schaute er sich wieder um. Er hatte damit gerechnet, eine verhungerte und verdurstete Tote hier auf dem Boden liegen zu sehen. Nichts davon traf zu. Das Innere des Totenhauses hatte sich nicht verändert. Es war so, als wäre die Sache mit der Blonden gar nicht passiert.
Curzi hatte sich so aufgebaut, dass er sowohl in die Gruft als auch nach draußen schauen konnte.
Auch er wusste, dass die Person nicht in der Gruft war.
Irgendwie fühlte er sich erleichtert und atmete zunächst mal tief durch.
Als Serrano seinen Rundgang beendet hatte, blieb er so stehen, dass er zur Tür hin schauen konnte.
Bei seinem letzten Schritt hatte er den leichten Hall unter den Füßen gehört. Jetzt stand er mit beiden Beinen auf der Eisenluke, die er jedoch ignorierte.
»Sie ist tatsächlich weg!«
»Habe ich gesehen.«
Serrano zuckte mit den Schultern. »Sie muss rausgeholt worden sein. Fragt sich nur, was wir jetzt machen sollen.«
»Ich öffne keinen Sarg!«
»Daran habe ich auch nicht gedacht.«
»Was willst du dann tun?«
»Keine Ahnung. Aber jemand muss sie befreit haben, und jetzt ist sie wieder in der Stadt oder wo auch immer. Sie hat uns nicht vergessen, verdammt!«
»Ist dir auch der Geruch aufgefallen?«
»Ja, wieso?«
»Der ist viel intensiver. Das ist schon ein Gestank. So riechen Leichen, wenn sie verwesen.«
»Was hat das mit der Blonden zu tun?«, fragte Serrano.
»Ich meinte ja nur.«
Serrano schaute nach unten. Er sah jetzt das Metall der Klappe. »Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich stehe auf einer Luke. Keiner weiß, was darunter liegt. Vielleicht nur ein Loch, aber es könnte auch der Beginn eines geheimen Gangs sein. So ein Fluchttunnel, verstehst du? Und ich kann mir vorstellen, dass die Blonde ihn genommen hat.«
Es war eine neue Perspektive, die Curzi erst verdauen musste. »Willst du sie hochziehen?«
Serrano schaute sich die Luke genauer an. »Es gibt leider keinen Griff. Die klemmt ziemlich fest im Boden. Ich weiß nicht, ob wir eine Chance haben.«
»Versuchen müssen wir es.«
Curzi wusste selbst nicht, woher er den Mut nahm, tat aber noch nichts, als sich Mario bückte. Das Metall schloss plan mit dem Boden ab. Es gab keine Lücke, in die sie hätten hineingreifen können, und einen Hebel mit flacher Kante besaßen sie nicht.
»Den Deckel hier kriege ich nicht hoch. Ich kann nirgendwo anfassen.«
»Dann hat die Tusse das auch nicht geschafft.«
Serrano richtete sich wieder auf. »Ja, davon können wir jetzt ausgehen. Trotzdem kam sie frei.« Er rieb seine Hände gegeneinander und näherte sich dem Ausgang. »Demnach muss sie einen Helfer gehabt haben, den wir nicht kennen.«
»Wir holen ihn uns!«, versprach Curzi. »Und die Blonde gleich mit. Darauf kannst du dich verlassen.« Er trat zur Seite, um seinem Kumpan Platz zu schaffen.
Serrano sagte nicht viel. Er dachte nur nach und hatte seine Stirn in Falten gelegt. »Das alles gefällt mir nicht«, murmelte er. »Irgendwie habe
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