1179 - Der Killerzwerg
war da. Bestimmt war er da. Saß im Dunkeln und amüsierte sich über sie. Er konnte sie nicht sehen, aber er konnte durchaus hören, was sie tat.
Das Feuerzeug in der rechten Hand zitterte ebenso wie die Kerze in der linken. Gina schwankte wieder. Liebend gern hätte sie jemand bei sich gehabt, der ihr jetzt gesagt hätte, was zu tun war.
Aber das blieb ein Traum. Sie musste sich schon allein entscheiden.
Erst nach einem innerlichen Ruck, schaffte sie es, die Flamme entstehen zu lassen. Da hier unten kein Windzug durch den Raum wehte, konnte die Flamme ruhig brennen, was aber nicht geschah, weil die Hand zu stark zitterte.
Tanzendes Licht und tanzende Schatten wechselten sich ab. Sie blickte nicht nach vorn und brachte die Kerze behutsam in die Nähe der Flamme.
Der Docht fing sofort Feuer.
Jetzt endlich konnte sie mehr sehen, doch sie freute sich nicht darüber. Und sie hatte Recht, denn kaum brannte die Flamme, da hörte sie vor sich das Kichern.
Gina erschrak. Streckte aber trotzdem die Hand mit der Kerze über den Tisch. Es war nicht viel Licht, das ein Loch in die Dunkelheit fraß, aber es reichte aus, um die Person erkennen zu können, die auf einer Tonne mit angezogenen Beinen im Schneidersitz hockte.
Der Zwerg!
Gina war nicht mal überrascht. Sie hatte sich Ähnliches schon gedacht, und trotzdem hatte sie das Gefühl, einen harten Schlag zu erhalten.
Er hatte sich verändert.
Er war zuvor waffenlos gewesen.
Jetzt nicht mehr. Er hielt ein Messer mit breiter Klinge vor sein Gesicht. Den Mund hatte er geöffnet, die Zunge herausgestreckt, die nicht starr blieb, denn er leckte mit der Spitze über die Breitseite des Messers auf und ab…
***
Das Bild war so abartig und widerlich, dass sich Gina Nolin verkrampfte und überhaupt nicht denken konnte. Sie wünschte sich, einen Traum zu erleben. Sie schloss die Augen, und als sie sie wieder öffnete, war das Bild nicht verschwunden.
Der Gnom mit dem Buckel hockte weiterhin auf dem Fass und beleckte sein Messer.
Gina stöhnte auf. Sie hatte das Gefühl, von mehreren Händen gefasst und durchgeschüttelt zu werden. Ihr Magen rebellierte, und nur mit großer Mühe war es ihr möglich, den Brechreiz zu unterdrücken. Der Zwerg hatte sich nicht grundlos mit dem Messer bewaffnet. Er spielte mit ihr. Er wollte ihr das weitere Schicksal vor Augen führen. Aber er hatte dabei kein einziges Wort gesagt. Er hielt den Kopf leicht schräg, ebenso wie das Messer, und seine Zunge glitt immer wieder die gesamte Klinge entlang, wobei er leise kicherte.
Er gab sich und auch Gina Zeit. Aber irgendwann war die Zeit um, da richtete er sich wieder auf. Er war sehr gelenkig und rutschte nicht zu Boden.
Auf seinen Füßen blieb er stehen. Auf dem Fass war er jetzt größer als die Frau und schaute schräg auf sie herab. Obwohl das Licht ihn nur am Rande erreichte, sah er widerlich aus. Eine Person, wie aus dem finstersten Märchen- oder Gruselbuch entstiegen. Eine, die keine Liebe kannte, sondern nur den Hass.
Noch hatte er sie nicht angesprochen, und auch Gina war nicht in der Lage, ein Wort zu sagen. Ihr war so kalt und trotzdem auch heiß. Das Gesicht glühte, die Kerze in der Hand zitterte, und so vollführte die Flamme zu einem bizarren Tanz, dessen Folge ein Spiel aus Licht und Schatten war, das über den Boden und auch über die nahe Wand glitt.
Der Zwerg sprang in den Schatten hinein. Er hatte sich nur kurz abgestoßen und landete auf beiden Füßen. Die Hälfte der Strecke hatte er überwunden, als er sein Gesicht zu einem hässlichen Grinsen verzog. In den Pupillen malte sich das zuckende Feuer ab, das Gina vorkam wie ein Gruß aus der tiefsten Hölle.
Das Grinsen blieb, auch als er sprach. Wieder nur mit dieser hechelnden Stimme, die Gina so hasste.
Am liebsten hätte sie ihm das Messer entrissen und es ihm durch die Kehle gejagt.
Der Zwerg trug ein Kittelhemd. Darunter eine Hose mit sehr engen Beinen. Schuhe, die klobig wirkten. All das nahm die Frau nebenbei wahr, denn die Worte trafen sie viel schlimmer.
»Gehört hast du mir schon, schöne Frau. Jetzt kann ich dich abgeben…«
Abgeben!
Dieses Wort hallte durch ihren Kopf. Darunter konnte man sich viel vorstellen, aber zugleich auch das Schlimmste, was es überhaupt gab, den Tod!
»Hast du verstanden?«
»Nein, nein…«
»Ich gebe dich ab.«
»Du lässt mich frei?«
Der Zwerg warf seinen im Verhältnis zum Körper großen Kopf zurück und lachte, was mehr einem Schreien gleichkam. Gina musste
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