1179 - Der Killerzwerg
An die von ihr propagierte Menschlichkeit glaubte ich nicht.
Es gab eine breite Steintreppe, die in die oberen Etagen führte, von denen wir von außen zwei gesehen hatten. An der Treppe gingen wir vorbei und bewegten uns auf eine braune Tür in der grauen Wand zu.
Die Grant öffnete, ging vor und wurde kleiner, weil sie zwei Stufen nach unten schritt.
Vor uns lag ein kahler, lang gestreckter Raum, der mich an einen Esssaal im Kloster erinnerte. Die Frauen saßen an einem langen Tisch. Ich zählte sie nicht, aber mehr als zwölf waren es schon. Das Haus war auch groß genug, um so viele Menschen zu fassen. Bestimmt lagen die Zimmer in den Etagen verteilt.
Vom Alter her waren die Frauen verschieden, aber eines hatten sie schon gemeinsam. Sie trugen die gleiche Kleidung. Möglicherweise die Kleidung über der Kleidung. Graue Kutten ließen sie aussehen wie Mönche oder wie Nonnen, die meist nicht so schlecht gekleidet waren. Auf dem Tisch standen drei große Töpfe auf breiten Warmhalteplatten, die das Essen heiß hielten. Aus den Töpfen ragten die Griffe der Kellen hervor. Ein Zeichen für mich, dass es Suppe gab.
Die Teller waren noch nicht gefüllt. Auf den sich gegenüber stehenden Bänken war noch genügend Platz für uns. Links in der gekälkten Wand stand eine Tür offen. Dort ging es zur Küche.
Sharon Grant war stehen geblieben und klatschte in die Hände. Die Frauen kannten das. Sie drehten der Chefin ihre Köpfe zu. »Wir haben zwei Gäste bekommen, wie ihr sehen könnt, meine Lieben. Zwei Männer, aber zwei besondere Männer, denn sie sind von der Polizei, und ihrem Schutz können wir uns anvertrauen. Ich habe sie zum Essen eingeladen. Sie nahmen an, ohne zu wissen, was es gibt, aber ich bin sicher, dass ihnen unsere Kartoffelsuppe mit den Pilzen schmecken wird. Sie brauchen auch keine Angst davor zu haben, vergiftet zu werden. Viele von uns mögen die Männer nicht mehr, aber es gibt ja die berühmten Ausnahmen von der Regel. Bitte, meine Herren, Sie können jetzt Ihre Plätze einnehmen. Ich werde Ihnen nur noch zwei Teller aus der Küche holen.«
Artig bedankten wir uns, ohne jedoch überzeugt worden zu sein. Suko traute dieser Person nicht, und bei mir war es nicht anders. Eine wie Sharon Grant war raffiniert. Meiner Ansicht war sie gewohnt, ein falsches Spiel zu treiben und gleichzeitig auch zu herrschen.
Suko und ich setzten uns gegenüber, so dass wir uns anschauen konnten.
Neben mir saß eine ältere Frau mit grauen wirren Haaren und verweinten Augen. Kaum hatte ich Platz genommen, da rückte sie schon ein kleines Stück zur Seite und zu ihrer Nachbarin hin. Auch mein Lächeln hatte sie nicht davon abhalten können.
Sharon Grant war in der Kirche verschwunden. Durch die offene Tür drang das Klappern von Geschirr.
Die Frauen am Tisch sprachen nicht. Wahrscheinlich hatte sie unsere Anwesenheit stumm werden lassen. Auch Suko und ich sagten nichts. Wer uns kannte, der sah uns an, dass wir uns nicht wohl fühlten. Es war auch nicht vorauszusehen gewesen, dass uns der Wind in dieses Haus hätte wehen können. Wir hatten uns praktisch auf alles eingestellt, auf so etwas jedoch nicht.
Sharon Grant kehrte aus der Küche zurück und brachte die beiden Teller mit. Einen stellte sie vor Suko ab, den zweiten vor mir. »Dann wünsche ich Ihnen guten Appetit!«, sagte sie noch und zog sich lächelnd zurück.
Ihr Platz war am Kopf des Tisches. Die Frauen füllten ihre Teller, und wir warteten noch damit, weil wir uns nicht vordrängen wollten. Das wiederum gefiel Sharon Grant nicht. Sie winkte und wedelte heftig mit einer Hand.
»Bitte, meine Herren, seien Sie doch nicht so zögerlich. Sie sind unsere Gäste. Bedienen Sie sich.«
Großen Hunger hatte ich zwar nicht, aber ich hatte in den sauren Apfel gebissen und musste ihn auch essen. In diesem Fall war das die mit Pilzen bestückte Suppe.
Sie roch besser als sie aussah. Mischpilze verteilten sich in der graubraunen Masse, und als ich kostete, nachdem auch einige Frauen gegessen hatten, war ich zufrieden.
Möglicherweise wurde beim Essen sonst geredet. In diesem Fall allerdings nicht. Was man sich zu sagen hatte, war wohl nicht für fremde Ohren bestimmt.
Hin und wieder glitt mein Blick zum anderen Ende des Tisches hin, an dem die Chefin saß. Sie saß da und aß. Wie eine Marionette tunkte sie den Löffel in die Suppe ein, hob ihn wieder hervor, führte ihn zum Mund und ließ das Essen darin verschwinden.
Sie sagte nichts, aber sie behielt uns
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