1190 - Geisterrache
werden viele Tode sein. Viele, viele Tode, und ich werde den Anfang machen…«
»Geh dorthin, wo ich war. Tu es, Ethan. Tu es, mein kleiner Zauberlehrling.«
Dunn ließ die Hand etwas sinken. Er drückte die Klinge nach vorn und damit auf sich zu.
Das Ziel war seine Kehle.
Seine Augen verdrehten sich. Darin lag plötzlich ein matter Glanz, und nur kurz schrak er zusammen, als das Metall die dünne Haut vorn an seinem Hals berührte.
»Jetzt, Ethan - jetzt!«
Der Maler gab Druck, und so zog er die Klinge von links nach rechts an seinem Hals entlang…
***
Suko und ich waren in das Atelier gestürmt und konnten unsere Waffen sinken lassen.
Wieder waren wir zu spät gekommen!
Während Jane Collins sich um die verletzte Frau kümmerte, gingen wir langsam näher und schauten uns um. Mir fiel das Bild auf der Staffelei sofort auf. Das Gemälde zeigte die gleiche Frau, die uns im Flur entgegengekommen war, nur war sie auf dem Bild nackt. Aber das war nebensächlich.
Viel wichtiger war eine andere Person.
Der Mann war auf den Rücken gefallen. Und es musste Ethan Dunn sein. Er war tot. In seiner Kehle klaffte ein Schnitt, den er sich selbst beigebracht hatte. So war es ein klassischer Selbstmord wieder mal, wie auch bei Cobani und Ambrose.
Seine Waffe hielt er noch in der rechten Hand. Die Faust hatte sich hart wie Stein um den Griff geklemmt.
Er sah tot aus, aber ich wollte sicher gehen und fühlte am Hals nach der Schlagader.
Da war nichts mehr. Kein Zucken - nichts.
Ich richtete mich wieder auf. Suko ging mit langsamen Schritten durch das Atelier. Ihm war anzusehen, dass er ähnlich dachte wie ich, und er schüttelte auch einige Male den Kopf, als könnte er das alles nicht begreifen.
»Gunhilla Blaisdell«, sagte er schließlich und schaute sich dabei an. »Glaubst du, dass sie hier im Raum gewesen ist?«
»Wer sonst?«
Er hob die Schultern an. »Aber wie ist sie hier gewesen? In welcher Gestalt?«
Von draußen hörten wir das Jaulen einer Sirene. Jane Collins hatte für die Verletzte den Rettungswagen alarmiert. Zum Glück war sie nicht so stark verletzt, als dass sie nichts mehr hätte sagen können, denn sie war die einzige und auch wichtigste Zeugin, die wir hatten.
Suko und ich machten uns auf Spurensuche. Wir suchten auch die anderen, wesentlich kleineren Räume ab, ohne einen konkreten Hinweis zu finden. Wenn Gunhilla tatsächlich hier gewesen war, dann hatte sie keine Spuren hinterlassen, was bei Geistern oder feinstofflichen Geschöpfen zumeist der Fall war.
Ich zählte die Namen auf. »Erst Gino Cobani, dann Donald Ambrose und jetzt Ethan Dunn.«
Ethan hatte in einer Umgebung gelebt, die darauf hindeutete, dass die Arbeit sein Ein und Alles gewesen war. Auf die Einrichtung der anderen Räume hatte er wenig Wert gelegt. Ihm war es darauf angekommen, sein Atelier so perfekt wie möglich zu haben.
Bevor wir die Kollegen anriefen, wollten wir zuerst noch erfahren, was Jane Collins herausgefunden hatte. Ich stand am Fenster, schaute in den trüber gewordenen Tag hinein und sah auch, dass Wind aufgekommen war, denn über den Hof trieben Papierfahnen und auch leere Dosen rollten weiter.
Ich drehte mich um, weil ich Schritte gehört hatte. Jane war gekommen. Mit gesenktem Kopf stand sie vor der Leiche und schluckte hart.
»Allmählich hasse ich sie«, sagte sie mit leiser Stimme. »Es sieht aus wie Selbstmord, aber ich weiß, dass es keiner ist. Kein direkter. Man hat ihn zum Selbstmord getrieben, das weiß ich genau, und es ist schrecklich.«
Als sie mich ankommen sah, trat sie zur Seite. »Hast du mit der verletzten Frau reden können?«
»Ja, sie hat mir alles erzählt. Sie heißt Doris McQuinn und hat sich von Ethan Dunn malen lassen. Sollte ein Geschenk für ihren Mann sein. Sie war gekommen, um das Bild abzuholen. Dabei hat sie etwas erlebt, was sie fertig machte.«
»Erschien Gunhilla?«
Jane lächelte müde. »Wer sonst, John? Sie war da, und Doris kann es auch jetzt noch nicht glauben. Sie sprach von deren Existenz, als hätte sie alles nur geträumt, aber ist wohl nicht so gewesen. Es war die reine Wahrheit, die sie erlebt hat.«
»Wer verletzte sie?«, fragte Suko.
»Es war nicht Gunhilla, wie du vielleicht denkst. Ethan Dunn hat es getan. Er wollte sie töten.«
Suko hob die Augenbrauen an. »Einfach so?«
»Nein oder ja. Kommt wirklich auf die Sichtweise darauf an. Es war Ethan, der wohl den Befehl von Gunhilla erhalten hat. Und damit vergaß er alles. Ich bin davon
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