1192 - Schamanenkult
zurechtkommen und wieder zurück in die Wirklichkeit finden.
Ja, Bill hatte Recht. Ich erinnerte mich auch, den Namen seiner Frau gerufen zu haben. Das allerdings nicht grundlos, denn ich hatte gesehen, was da geschehen war. Sheila, die in ihrem Garten stand, und der Mann, der eine Schaufel gegen ihren Kopf hatte schlagen wollen. Das hatte mich dazu veranlasst, Sheilas Namen zu rufen.
Ich hätte es gesehen. Ich hatte Meilen überbrücken können durch völlig neue Fähigkeiten. Ich war in diesen Momenten zu einem Seher geworden, aber das lag nicht an mir. Das hatte ich nicht aufgrund meiner eigenen Kraft geschafft, denn da hatte ich mich auf die des Schamanen verlassen müssen.
Allmählich klärte sich mein Blick und wurde die Erinnerung sehr plastisch.
Sheila war nicht getroffen worden. Jemand war plötzlich erschienen und hatte den anderen davon abgehalten, die Frau mit der Schaufel zu erschlagen.
Ich kannte den Helfer.
Er war bei mir gewesen, und er hatte mich sogar angefasst. Er hieß Mongush, er war ein Schamane, und er hatte den direkten Kontakt mit mir gesucht.
Und nun?
Ich war durcheinander. Aber ein Bild konnte ich nicht vergessen. Der Fremde hatte es nicht geschafft, Sheila zu erschlagen, und genau dieses Wissen brachte mich wieder zurück in die Realität.
Auch etwas anderes trug dazu bei. Es war Bill, der mich noch immer festhielt und mich dabei durchschüttelte. Dabei schrie er mich an. »Verdammt noch mal, John! Was ist mit meiner Frau? Was ist mit Sheila?«
»Sheila lebt«, sagte ich.
Dieser schlichte, aber doch bedeutungsvolle Satz stoppte Bills Aktivität. Er schüttelte mich nicht mehr durch. Dafür schaute er mich fassungslos an. Und allmählich nahm ich die Realität wieder besser und klarer wahr. Ich sah Bills Gesicht dicht vor dem meinen und im Hintergrund den Schamanen, der auf dem Fleck stand wie festgefroren. Suko war bei ihm und ließ ihn nicht aus den Augen.
Bill Conolly ließ mich los, als ich meinen rechten Arm hob. Mit der flachen Hand wischte ich durch mein Gesicht und schaute dabei ins Leere. »Mongush hat sie gerettet, Bill. Er hat es nicht zugelassen, dass Sheila getötet wurde.«
Der Reporter schnappte nach Luft. Er rang nach Worten. »Verdammt, wie kommst du darauf, John? Wer hat sie denn töten wollen? Wer, zum Teufel?«
»Ich kann es dir nicht sagen«, erwiderte ich, so matt wie ich mich auch fühlte. »Ich habe ihn zwar gesehen, aber ich kenne ihn nicht. Er war mir völlig unbekannt.«
»Und er war im Garten?«
»Ja.«
Bill schüttelte den Kopf. »Alles der Reihe nach«, flüsterte er. »Du hast Sheila im Garten gesehen, und hinter ihr stand ein Fremder, der sie mit einer Schaufel erschlagen wollte. Ist das richtig?«
Ich nickte.
»Gut, ich frage jetzt nicht nach den Gründen. Ich will noch nicht wissen, warum du das alles gesehen hast und ich nicht. Aber Sheila wurde gerettet. Und zwar von dem Schamanen - oder?«
»So habe ich es gesehen!«
Bill schaute mich scharf an. »Aber das ist unmöglich, denn Mongush war hier! Ich habe ihn gesehen und…« Er unterbrach sich. Den Grund kannte ich nicht. Es konnte sein, dass es an meinem langen Blick gelegen hatte, den ich Bill zuwarf. Es war aber auch möglich, dass er selbst nachgedacht hatte, denn plötzlich nickte er. »Ja, so muss es gewesen sein, nicht er war es, der hier bei uns ist, sondern sein Astralleib. Oder ist das falsch?«
»Ich glaube nicht.«
Bill ging zur Seite. Er musste sich jetzt einfach setzen und schlug die Hände vors Gesicht. Trotz der großen Freude über Sheilas Rettung hatte er seine Probleme, und die konnte ihm auch niemand abnehmen.
Als ich den Schamanen ansprechen wollte und mich ihm zuwandte, schüttelte Suko den Kopf. Er stand noch immer bei ihm und wusste besser Bescheid. Der Mann schien noch nicht in der Lage zu sein, Antworten geben zu können.
Deshalb ging ich zu Bill und setzte mich auf den Stuhl neben ihn. »Wir haben es geschafft. Zumindest jetzt oder vorerst. Ich denke, dass Sheila in Sicherheit ist.«
»Ich weiß es nicht.« Bill zuckte mit den Schultern. »Warum das alles? Warum in unserem Garten? Was ist da los? Hatten wir all die Jahre nicht schon genug Ärger? Was hat der verdammte Garten mit allem zu tun?«
»Sorry, aber ich kann dir die Antwort nicht geben.«
»Ja, ich weiß. Ich müsste Mongush fragen.«
»Genau.«
Bill schüttelte den Kopf. »Aber was hat der Schamane mit uns zu tun? Was mit dem Gebiet, mit dem Haus, in dem wir wohnen? Klar, es war nie so
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