1192 - Schamanenkult
Dabei blieb es auf ihrem Rücken kalt, und diese Kälte zog sich sogar hinein bis in die Fingerspitzen.
War jemand da?
Es gab jetzt Geräusche. Irgendwo bewegte sich immer etwas. Die Geräusche konnten auch von draußen her stammen. Sheila war durcheinander. Sie sah Licht, sie sah auch Schatten, wenn sie durch die offen stehende Tür in den Flur schaute, und sie musste wieder an den verdammten Totenschädel in ihrem Garten denken.
Ihn hatte dieser Andere ausgegraben. Der Schädel wies die Form eines menschlichen Kopfes auf. Er musste für den Fremden ungemein wichtig sein. Möglicherweise ein Fetisch oder ein mit Kraft gefüllter magischer Gegenstand.
Sheila hatte das Gefühl, dass die Zeit der Angst noch nicht vorbei war. Es konnte durchaus sein, dass sie erst den Anfang erlebt hatte. Was dann folgte, das wollte sie sich gar nicht erst vorstellen.
Sie schrak zusammen, als das Telefon klingelte. Sheila schnappte das Telefon, als wäre ihre Hand eine Raubtierpranke.
»Ja… ja…?«
»Sheila - endlich!«
»Bill!« Sie sprach den Namen aus wie ein Jubelschrei. Selten hatte der Anruf ihres Mannes sie so erfreut. In ihr stieg Optimismus auf. Sie wollte sagen, dass sie noch da war, dass alles gut werden würde, aber sie kam nicht dazu, weil die Kehle plötzlich zusaß.
»Sag was, Sheila.«
Sie schluckte. Sie holte Luft und weinte. »Okay, Bill, es geht mir gut. Jetzt zumindest. Ich… ich… weiß, dass du auch da bist. Aber ich fühle mich so allein.«
»Keine Sorge«, versprach er ihr. »Das wird sich ändern. Ich habe mir ein Taxi nehmen müssen. Die Gründe erzähle ich dir später. Warte noch zwanzig Minuten.«
»Ja, Bill, ja. Ich habe auch versucht, dich zu erreichen, aber ich bekam keine Verbindung.«
»Da waren wir noch in dem Center. Es wurde dafür gesorgt, dass niemand - ach, ist auch egal. Wir sehen uns gleich.«
»Ja. Bill, ich liebe dich.«
»Ich dich auch.«
Der letzte Satz hatte sein müssen. Auch nach einer schon langen Ehe. Sheila hatte ihn gebraucht. Er war für sie so etwas wie ein seelischer Brennstoff.
Sie legte das Telefon wieder auf die Station. Jetzt ging es ihr besser. Der Druck im Magen war verschwunden, auch wenn die Unruhe nach wie vor in ihr steckte.
Sheila traute sich auch wieder, in den Garten zu schauen. Als sie dort nichts Auffälliges entdeckte, ging sie durch das Haus, um die Zimmer zu durchsuchen.
Sie waren leer. Kein Vertreter einer fremden Macht hatte sich dort eingenistet.
Immer wieder blickte sie auf die Uhr. Der Zeiger schien zu kriechen. Die Warterei entwickelte sich zu einer Folter, und der Herzschlag wollte sich nicht beruhigen.
Wann kam er - wann?
Schließlich blieb sie neben der Haustür stehen und beobachtete auf dem Monitor den Eingangsbereich des Hauses.
Als das Taxi erschien, bekam sie vor Erleichterung weiche Kniekehlen…
***
Selten in der letzten Zeit war Sheila ihrem Mann mit einer derartigen Inbrunst in die Arme gefallen.
Sie hatte ihn schon vor der Haustür erwartet, und beide waren irgendwie froh, dass sie noch lebten, obwohl sie nicht darüber sprachen.
Bill trug seine Frau über die Schwelle und stellte sie im Haus ab. Sie schauten sich an, sie küssten sich, und irgendwann kamen sie auch wieder zu sich.
»Du kannst jetzt sagen, was du willst, Sheila, aber jetzt brauche ich einen Schluck.«
»Ich auch.«
»Super. Whisky?«
»Ja.«
Sheila folgte ihrem Mann ins Wohnzimmer, in dem sich auch eine gut bestückte Bar befand. Bill suchte den besten Scotch aus, der wenig später in schmalen Gläsern schimmerte und sein Aroma entfalten konnte.
Sie stießen an und tranken. Selbst Sheila nahm einen großen Schluck. Dann stellte sie das halb leere Glas zur Seite. Sie schaute ihren Mann an, der sein Glas bis auf einen geringen Rest austrank und tief ausatmete.
»Wir haben es noch nicht überstanden, Sheila.«
»Ich weiß.«
Bill spähte in den Garten. Er sagte nichts. Jede Frage schien ihm sinnlos zu sein.
»Suchst du den Schädel?«
Der Reporter fuhr herum. »Wie? Ist er noch hier?«
»Ja. Aber der Mann nicht.«
Sheila sagte nichts. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf. »Woher weißt du davon?«
»John hat es mir gesagt.«
»John?« Sheila schüttelte den Kopf. »Aber das ist unmöglich, Bill. Das kann nicht sein…«
»Doch. Er hat es gesehen.« Bill ging zu seiner Frau und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Er ist in dieses magische Wunder, sage ich mal, mit hineingeraten. Er hat gesehen, wie du von einem Astralleib
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