1192 - Schamanenkult
Körper ausbreitete. Ich war zwar noch ich selbst, aber ich hatte meine Umwelt vergessen und war voll in den Bann des Schamanen geraten.
Ich ließ mich einfach treiben, und die Bilder vor meinen Augen verschwammen.
Die Welt, die mich hier umgab, trat allmählich zurück. Ich geriet hinein in eine andere. Ich konnte plötzlich sehen, etwas anderes sehen. Ich schwebte weg, und dabei wusste ich nicht mal, ob ich es selbst war oder mein Bewusstsein.
Alles war anders und fremd geworden. Ich sah auch Mongush nicht mehr, sondern nur eine neblige Welt, die von hellen Schatten durchwandert wurde.
Mongush hatte auf dem Boden gelegen und den Kontakt mit den Geistern der Verstorbenen gesucht.
Wir hatten ihn gestört. Da war der Kontakt abgebrochen. Aber jetzt war er dabei, ihn wieder aufzubauen, und das mit meiner Hilfe.
Ich wollte etwas sagen und auch zugleich aus dieser Lage herauskommen, aber ich brachte kein Wort über meine Lippen. Alles was ich mir vorgenommen hatte, blieb in den Gedanken stecken.
Dieser erste Angriff war sehr überraschend gekommen, und ich versuchte, wieder zu mir selbst zurückzufinden. Ich wollte mich einfach nicht von dem Schamanen beherrschen lassen und meinen freien Willen behalten. Vielleicht lag es auch an meinem Kreuz, dass ich so stark in die andere Welt hineingezogen wurde, die ich ebenfalls mit anderen Augen sah.
Es gab andere Dinge zu sehen. Neblige Welten, geheimnisvolle Schatten.
Und ich hatte zugleich das Gefühl, Stimmen zu hören, die weit entfernt aufklangen.
Dann hörte ich eine Stimme. Sie klang neutral, aber ich wusste trotzdem, dass sie dem Schamanen gehörte. Er warnte vor einer Gefahr, und er sagte auch einen Namen Sheila…?
Hatte ich ihn richtig verstanden? Sollte er tatsächlich Sheila gemeint haben?
Ich wollte ihn fragen, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich wunderte mich, dass ich überhaupt noch atmen konnte.
»Gefahr… bleib bei mir… löse nicht den Kontakt. Wir können sie retten…«
Die Stimme war da. Ich verstand auch die Worte, aber ich konnte sie nicht begreifen.
Bis ich plötzlich sah, obwohl ich die Augen geschlossen hielt. Ein Bild erschien und damit eine Umgebung, die mir alles andere als fremd war.
Ein Garten mit einer blonden Frau darin. Sheila. Sie stand gebückt da. Hinter ihr hatte sich jemand aufgerichtet, der mit seinen Händen eine Schaufel festhielt und bereit war, sie ihr gegen den Kopf zu schlagen…
***
Für Sheila stand fest, dass der Unheimliche, wo immer er auch hergekommen sein mochte, sie immer treffen würde. Er war so nah, dass er sie nicht verfehlen konnte, und sie war auch nicht in der Lage, sich zur Seite zu werfen.
Der Schock hatte sie stumm und zugleich bewegungsunfähig gemacht. Sie sah das leichte Zittern der Arme, und zugleich verzog sich sein Gesicht zu einer bösartigen Grimasse.
Dann schlug er zu!
Sheila hörte sich selbst schreien. Sie wunderte sich auch darüber, dass sie sich bewegen konnte, denn sie riss zum Schutz beide Arme in die Höhe.
Dabei erwartete sie den Aufprall der Schaufel, aber das trat nicht ein.
Sekunden vergingen. Sheila wurde erst allmählich klar, dass sie Glück gehabt hatte, was sie kaum fassen konnte. Erst jetzt und sehr langsam ließ sie die angewinkelten Arme wieder sinken.
Was sie sah, war unglaublich. Im tatsächlich hellen Licht der Wintersonne sah sie die Gestalt hinter der anderen stehen. Sie war hell und durchscheinend, und sie war ein Mann. Der gleiche Mann, von dem Bill berichtet hatte.
Eine Erscheinung, die im Licht stand und einfach nur zugriff. Sie hielt den anderen fest und drückte ihn so zur Seite, dass es ihm nicht mehr möglich war, mit der Schaufel zuzuschlagen.
Der Täter wurde herumgedreht und zu Boden gedrückt. Plötzlich war er nicht mehr da. Etwas riss ihn weg, und Sheila spürte noch mal den eisigen Hauch, der über ihr Gesicht fuhr.
Dann gab es nichts mehr zu sehen. Beide Gestalten waren verschwunden.
Sheila Conolly stand da und verstand die Welt nicht mehr. Sie schaute auf den bleichen Totenschädel, nahm ihn jedoch gar nicht wahr…
***
Starke Hände umklammerten mich und drückten mich zurück. Ich hörte die Stimme meines Freundes Bill. Nur erreichte sie mich aus einer weiten Entfernung, als stünde er in einem anderen Raum, und sie hallte auch in meinen Ohren nach.
»Was hast du gesagt, John? Du hast Sheila gerufen? Verdammt, was ist mit ihr?«
Ich hätte ihm gern eine Antwort gegeben, aber ich musste zunächst mit mir selbst
Weitere Kostenlose Bücher