1192 - Schamanenkult
Antwort. Sie schluckte nur.
Der Schädel lag nicht mehr an seinem Platz!
»Das verstehe ich nicht«, flüsterte Sheila und schüttelte immer wieder den Kopf.
»Er ist nicht mehr da!«
Sie fasste Bill mit beiden Händen an. »Bitte, glaubst du mir denn, dass er hier gelegen hat?«
Bill drehte kurz sein Gesicht nach links. »Ich glaube dir alles, Sheila. Ich glaube ja auch John. Ich weiß ja, was er gesehen hat. Aber der Schädel ist weg.«
»Ja.«
Bill holte tief Luft. »Hast du nicht auch davon gesprochen, dass der Boden um ihn herum aufgewühlt war?«
»Das war er auch!«
»Jetzt ist er platt!«
Sie bückte sich. »Zu platt, Bill. Als wäre er flach geklopft worden. Man hat den Schädel weggeholt, und ich weiß nicht, wie das geschehen konnte, denn ich bin voller Panik ins Haus gerannt.« Sie richtete sich wieder auf.
»Ja, und dieser seltsame Typ verschwand«, murmelte Bill. »Wer ist das gewesen?«
»Ich kenne ihn nicht!«
Bill schaute über die Grundstücksgrenze hinweg, die von keinem Zaun gebildet wurde, sondern nur von knie- und hüfthohen Büschen. »Hätte das dieser Taylor sein können?«
»Jeder, Bill. Aber wir beide kennen ihn nicht.«
»Ja, ja«, murmelte der Reporter. »Wir kennen ihn nicht. Ich denke, dass ich ihn kennen lernen werde.«
»Was heißt das?«
Er sah sie kurz an. »Ganz einfach. Ich mache mich auf den Weg und statte ihm einen Besuch ab.«
»Nein!« Sheilas Reaktion war spontan erfolgt, doch Bill ließ sich nicht beirren.
»Ich gehe auf jeden Fall. Ich muss einfach Bescheid wissen, verdammt noch mal!«
»Dann gehe ich mit!«
»Auf keinen Fall. Du bleibst im Haus. Einer muss schließlich dort sein, wenn John, Suko und der Schamane eintreffen. Keine Angst, ich werde vorsichtig sein.«
Sheila wusste nicht, wohin sie ihren Blick wenden sollte. Mal sah sie Bill ins Gesicht, mal zum Nachbargrundstück hinüber. Schon immer hatte sie die neuen Bewohner für komische Leute gehalten, die sehr für sich lebten. Nun, das musste kein Fehler sein, aber es gab auch Menschen, die etwas zu verbergen hatten und deshalb allein blieben.
»Geh wieder zurück ins Haus«, sagte Bill. »Sollte ich etwas entdecken, melde ich mich über Handy.«
»Aber bitte, Bill, tu nichts Unüberlegtes.«
Er grinste und zwinkerte ihr zu. »Habe ich das schon jemals getan?«
»Muss ich darauf antworten?«
»Nein«, sagte Bill, küsste sie kurz auf den Mund und machte sich auf den Weg…
***
Dem Schamanen war es von Minute zu Minute besser gegangen, was wir als Vorteil ansahen. Er akzeptierte uns auch ohne Widersprüche und hatte sogar meinem Vorschlag zugestimmt, das Gelände hier zu verlassen, um den Ort des Geschehens zu erreichen.
Er stand vor uns, wie jemand, der sich etwas eintrichtern will. Seine gespreizten Finger hielt er gegen den Kopf gepresst und flüsterte immer wieder: »Es ist etwas da. Etwas Grauenvolles. Etwas Uraltes, das noch dabei ist, seine Kraft auszustrahlen. Ich habe es gespürt, ich habe es gesehen, und es ist feindlich.«
»Auch alt«, sagte ich.
»Ja, sehr alt.«
»Weißt du mehr darüber?«, fragte Suko. »Was kann in einer bestimmten Phase der Vergangenheit dort geschehen sein, das bis heute noch nachwirkt?«
Auch mir hatte die Frage auf der Zunge gelegen, aber ich hatte Suko den Vortritt gelassen und wartete gespannt auf die Antwort.
Mongush ließ sich Zeit. Er sah zwar geradeaus, aber der Ausdruck in seinen Augen kam uns vor, als würde er direkt in sein Inneres sehen, um dort etwas zu erforschen. Schließlich sagte er mit leiser Stimme: »Es hängt mit dem Tod und dem Leben zusammen. Es ist der Anfang und das Ende. Aber es steht auf der anderen Seite.«
»Du meinst das Böse?«
»Ja, die dunklen Kräfte. Es gab sie, es gibt sie, und es wird sie immer geben.« Er hob jetzt den Kopf, um mich anzusehen. »Du weißt es, du spürst es, denn du besitzt etwas, das sehr wertvoll ist und es schafft, sich gegen die dunklen Mächte zu stellen. Ich weiß das genau.«
»Ja, das denke ich mir. Aber du kennst den Mann nicht, der Sheila Conolly töten wollte?«
»Nein, nicht mit Namen.« Seine Stimme verlor sich etwas. »Aber ich spüre seine Macht.«
»Wie sieht das aus?«
»Er ist wie ich.«
»Ein Schamane?« fragte Suko.
»Ja, ich nehme an, dass man es so sagen kann. Ein Schamane, der sich dem Bösen verschrieben hat. Aber er ist zugleich einer, der sich nicht offen zeigt. Er lebt hinter einer Maske versteckt, weil die Welt nichts von ihm erfahren soll. Er will niemand
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