1192 - Schamanenkult
unheimliche Art und Weise…
***
Auf der Fahrt zu den Conollys hatte Mongush so gut wie nicht gesprochen. Ich hatte Suko das Lenkrad überlassen und mich zu dem Schamanen auf den Rücksitz gesetzt. Ich wollte wissen, was passierte, denn seine Warnungen musste ich verdammt ernst nehmen.
Er hielt die Augen geschlossen. Manchmal bewegte er seinen Mund, aber es war nichts zu hören, und er machte auf mich den Eindruck, als würde er mit sich selbst sprechen.
Ich rechnete damit, dass er in eine geistige Verbindung mit jemandem getreten war, von dem ich nichts wusste. Es gab diesen Feind, es gab die Gestalt aus dem Garten, doch ich war nicht in der Lage, sie auf übersinnliche Art und Weise zu fangen.
Je näher wir dem Ziel kamen, umso mehr erlebte ich die Veränderung des Schamanen mit. Er verlor seine Ruhe. Er sprach jetzt, mit sich selbst in einem Dialekt, den ich nicht verstand.
Manchmal schüttelte er auch den Kopf. Zweimal berührte er mich mit der Hand. Ich stellte fest, dass sie eiskalt war.
Ich sah nicht, was draußen vorbeihuschte. Die normale Gegend hatte sich für mich in Schatten und Schemen aufgelöst. Es gab für mich nur den Innenraum des Rovers, der jetzt zum Mittelpunkt der Welt geworden war.
Mongush schaute mich nach einer raschen Drehung des Kopfes an. Ich blickte direkt in seine Augen, die so starr und leicht verdreht waren. Er schien mich nicht zu sehen, sondern eine fremde und andere Welt, in die seine Seele eingetaucht war.
»Möchtest du sprechen?«, flüsterte ich ihm zu.
Der Mann aus Sibirien gab keine Antwort. Er war in seinen Sitz hineingesunken und wirkte noch kleiner und kälter als zuvor.
»Er ist da!«
»Und weiter?«
»Er hat Macht, viel Macht!« Auf seinem Gesicht malte sich plötzlich der Schrecken ab. »Wahnsinn«, flüsterte er. »Das ist eine irrsinnige Macht…«
»Was tut er?«
»Nichts, noch nichts. Aber er wird etwas tun. Er bringt einem Menschen große Gefahr. Er ist so schrecklich alt. Er hätte tot sein müssen, aber er lebt noch. Man hat ihn erweckt und aus seinem tiefen Grab geholt.«
Ich wollte weitere Fragen stellen, sah aber, dass der Schamane nicht mehr fähig war, etwas zu sagen. Er starrte einfach ins Leere, und seine, Augen waren so verdreht, dass ich schon Angst um ihn bekam. Sein Mund stand offen, das Gesicht wirkte zerfallen und von noch mehr Furchen durchzogen.
Er zitterte. Die Hände rutschten über seine Oberschenkel, und er schüttelte einige Male den Kopf, als wollte er irgendwelche Bilder vertreiben.
Wir waren noch nicht am Ziel. Wir konnten auch nicht fliegen. Ich verfluchte wieder mal den Londoner Verkehr, in dem wir trotz Blaulicht und Sirene kaum vorankamen. Das Licht klebte auf dem Dach des Rovers und drehte sich.
Suko fuhr schon wie ein Lebensmüder. Nur knapp waren wir mehrmals einer Kollision entgangen, und wir wurden auf dem Rücksitz immer wieder durcheinander geschüttelt.
Mongush senkte den Kopf. Mit einem schlürfenden Geräusch holte er Atem. »Da… da…«, sagte er.
»Der alte Geist ist zurück. Der Schamane ist da. Sein Fluch wird alle treffen. Er ist so hart und brutal. So grauenvoll.«
»Was ist mit Bill und Sheila?«, fragte ich.
Mongush schüttelte den Kopf. »Nichts?«
»Ich sehe und spüre nichts. Die andere Kraft ist zu mächtig. Sie hat meine Welt übernommen. Sie befehligt die Geister. Sie ist überall vorhanden…«
Ich sah jetzt, wie er abermals den Kopf schüttelte und dabei in ein Meer von Verzweiflung versank.
Er konnte nicht mehr anders. Die andere Macht musste ihn voll im Griff haben.
Suko tat sein Bestes. Er schaffte die Strecke wirklich in einer Rekordzeit, und trotzdem dauerte es sehr lange, bis wir endlich die Gegend erreicht hatten, in der die Conollys wohnten. Hier kannten wir uns aus. Hier jagte Suko mit wimmernden Reifen um die Ecken, und als er schließlich in die Auffahrt zum Haus der Conollys einbog, fühlte ich mich etwas besser.
Sheila stand in der offenen Tür. Sie schaute uns entgegen, als Suko und ich aus dem Wagen sprangen. Der Schamane konnte sich nicht so flink bewegen. Er kletterte nach draußen und wirkte wie ein Betrunkener. Suko eilte zu ihm und stützte ihn, während ich schon bei Sheila stand.
Auch sie war aufgeregt. Auf ihrem Gesicht sah ich hektische rote Flecken.
»Gut, dass ihr hier seid. Ich…«
Ich ließ sie erst gar nicht zu Wort kommen und fragte nur: »Wo ist Bill?«
»Drüben!«
»Bitte?«
»Ja, bei den Nachbarn, den Taylors. Er wollte sich nur kurz dort im
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