1199 - Der Prinz und der Bucklige
vervollständigt, desto deutlicher sehe ich, daß es einen wirksameren Weg geben muß, die Macht der Silbernen zu brechen. Unser bisheriger Plan zielte darauf ab, eine Schaltzentrale nach der anderen zu knacken, bis dem Symbionten keine andere Wahl mehr blieb, als entweder den Geist aufzugeben oder auf unsere Seite überzuwechseln. Das ist langwierig und macht uns den Schmieden gegenüber verwundbar. Es muß eine Möglichkeit geben, das Problem mit einem Schlag zu lösen."
Nachor hielt Wort. Zusammen mit Perry durchforschten sie sämtliche Räume der Unterkunft. Das Bad, nachdem er in erster Linie suchte, hätte Perry um ein Haar übersehen, weil seine Einrichtung nicht einmal annähernd dem entsprach, woran er gewöhnt war. Der Prinz zeigte ihm, wie sich die in den Boden versenkte Wanne öffnen ließ, wie die an den Wänden und auf dem Wannenboden angebrachten Verzierungen dazu bewegt werden konnten, Wasser und andere Flüssigkeiten mit verschiedenen Duftmischungen und zu jeder physikalisch möglichen Temperatur abzugeben, und wie er die windtunnelähnliche Vorrichtung, die einen warmen, mit verschiedenerlei Ölen anreicherbaren Luftzug erzeugte, zum Abtrocknen zu benützen hatte.
Perry ließ sich Zeit. Er spielte mit der Unschuld eines Kindes an den Produkten einer exotischen Klempnerkunst herum und verließ schließlich den Windtunnel mit dem erhabenen Gefühl neuer Frische und makelloser Sauberkeit. Er kleidete sich an und machte sich auf die Suche nach Nachor. Inzwischen waren seit ihrer Ankunft nahezu zwei Stunden verstrichen. Der Prinz schien recht zu behalten: Die Armadaschmiede hatten fürs erste ihre Spur verloren.
Er fand Nachor in einer kleinen, abseits gelegenen Speisenzubereitungsanlage, die ihn an eine Kreuzung zwischen chemischem Labor und Bierbrauerei erinnerte. Der Prinz hatte tatsächlich etwas zu essen aufgetrieben. Er servierte es in einer Reihe zierlicher Schüsselchen. Der Inhalt der Schüsselchen war dickflüssig bis breiartig. Er wurde genossen mit Hilfe fingerhutähnlicher Löffel, die an langen, dünnen Stielen befestigt waren. Perry fand die dargebotenen Speisen pikant und apart. Am meisten aber wunderte er sich über ihre sättigende Wirkung.
Als er von der nur selten unterbrochenen Beschäftigung des Löffelns aufsah, bemerkte er einen eigenartigen Glanz in Nachors rubinrotem Auge. Nachors Mimik spielte sich zu gut zwei Dritteln über das tausendfältig facettierte Sehorgan ab. Das hatte die Terraner anfänglich verwirrt, weil sie gewöhnt waren, Gefühlsregungen aus dem Gesicht als Ganzem zu lesen. Perry glaubte, er kenne sich mittlerweile in Nachors mimischem Spektrum aus, aber diesen Ausdruck hatte er noch nie zuvor bemerkt.
„Du bist überrascht, mein Freund?" erkundigte sich der Prinz. „Ich hatte in den vergangenen Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten wenig Anlaß, glücklich zu sein."
„Wenn es Glück ist, was dein Blick ausdrückt, bin ich zufrieden. Was macht dich glücklich?"
„Von Herth ten Var habe ich gelernt, daß Geruch und Geschmack die stärksten Erinnerungsstützen des humanoiden Wesens sind", antwortete Nachor. „Ich war skeptisch, aber jetzt erkenne ich, daß euer genialer Arzt recht hat. Perry, Freund - in dieser Stunde gemütlichen Essens ist mehr von meiner Erinnerung zurückgekehrt als in all den Tagen zuvor."
„Du weißt, wie man den Transmitter bedient? Ich meine zuverlässig und wiederholbar?
Wir müssen uns nicht jedes Mal erst von einem Felsklotz erschlagen lassen, um ein paar Schritte weiterzukommen?"
Nachor lachte dröhnend. Es kam Perry zu Bewußtsein, daß er ihn so ungebunden noch nie hatte lachen hören.
„Zuverlässig und wiederholbar, mein Freund", bestätigte er. „Mit der Zielwahl hapert es noch ein wenig, aber auch das werden wir mit der Zeit lernen. Nein, keine stürzenden Felsbrocken mehr."
Perry musterte ihn mißtrauisch.
„Irgendwie habe ich den Eindruck", sagte er, „daß der Duft und der Geschmack dieser köstlichen Mahlzeit auch unsere taktische Planung beeinflußt haben. Stimmt das?"
„Du bist ein scharfer Beobachter. Aus dem weiten Raum, in dem alle verlorenen Erinnerungen verborgen sind, ist mir eine wichtige Information zugeflossen. Früher gab es in der Nähe des Mittelpunkts des Loolandre ein technisch versiertes Armadavolk, das, glaube ich, unmittelbar in Ordobans Diensten stand. Es genoß sein besonderes Vertrauen und betreute die technischen Anlagen, die nur von Ordoban selbst bedient werden durften. Tassaui
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