12 - Im Auge des Tigers
Zielperson, aber seine Perle, Trudl Heinz, die gerade aus der Haustür kam. Sie sah genau wie auf dem Foto aus, das die beiden auf ihrem Computer hatten. Kein Filmstar, aber durchaus hübsch genug, dass Männer sich kurz nach ihr umdrehten. Ihr Haar schien früher einmal blond gewesen und später nachgedunkelt zu sein.
Hübsche Beine, überdurchschnittlich gute Figur. Ein Jammer, dass sie sich einen Terroristen angelacht hatte. Vielleicht war er aus Gründen der Tarnung mit ihr zusammen, was angesichts der positiven Begleiterscheinungen sicher nicht die schlechteste Idee war. Es sei denn, ihr Verhältnis wäre rein platonischer Natur, aber das war nicht sehr wahrscheinlich. Die beiden Amerikaner fragten sich, wie Anas seine Lebensgefährtin wohl behandelte, aber so etwas sah man einer Person natürlich nicht an, wenn man sie auf der Straße beobachtete. Die Frau ging die Straße entlang in Richtung der Moschee, an der sie jedoch vorbeilief. Dorthin war sie also nicht unterwegs.
»Ich überlege gerade… wenn er zum Gottesdienst geht, könnten wir ihn anpieksen, wenn er wieder rauskommt.
Mitten in der anonymen Menge«, dachte Brian laut nach.
»Keine schlechte Idee. Mal sehen, ob’s den Burschen heute Nachmittag zur Andacht drängt und wer sonst noch alles in die Moschee geht.«
»Das nenne ich ein entschiedenes Vielleicht«, kommentierte Dominic. »Aber lass uns erst mal zu Ende essen. Und 481
dann besorgen wir uns was Neues zum Anziehen, womit wir hier nicht so auffallen.«
»Gebongt.« Brian sah auf die Uhr. 14.00 Uhr. Zu Hause acht Uhr morgens. Nur eine Stunde Zeitverschiebung gegenüber London, nicht der Rede wert.
Jack kam früher als sonst ins Büro. Da er davon ausging, dass bin Salis Tod der Auftakt zu einer größeren Operation gewesen war, erwartete er gespannt weitere Nachrichten aus Europa. Doch der aufgezeichnete Nachrichtenverkehr gab nichts Spektakuläres her, nur etwas zusätzliche Korrespondenz zu bin Salis Tod. Wie nicht anders zu erwarten, hatte MI5 an Langley gemeldet, die Todesursache sei augenscheinlich ein Herzinfarkt, vermutlich ausgelöst durch eine letale Herzrhythmusstörung. So stand es im amtlichen Obduktionsbefund. Die Leiche war inzwischen freigegeben worden, und eine Anwaltskanzlei, die die Familie des Toten vertrat, traf Vorbereitungen für die Überführung nach Saudi-Arabien. Bin Salis Wohnung war von der Londoner Variante eines Schwarzsack-Teams durchsucht worden, wobei jedoch nichts von besonderem Interesse gefunden wurde.
Das galt bisher auch für seinen Bürocomputer, dessen Festplatte kopiert worden war. Die gewonnenen Daten mussten allerdings noch genauer von den Computerleuten der Be-hörde ausgewertet werden. Deren Bericht würde folgen –
was, wie Jack wusste, einige Zeit dauern konnte. Rein technisch gesehen war es zwar möglich, sämtliche in einem Computer versteckten Daten aufzuspüren, aber ebenso war es theoretisch möglich, die Pyramiden von Gizeh Stein für Stein abzutragen, um herauszufinden, was unter ihnen verborgen war. Falls bin Sali wirklich so clever gewesen war, das brisante Material raffiniert zu verstecken oder mit einem nur ihm bekannten Code zu verschlüsseln… also, dann würde es ganz schön haarig. War er so schlau gewesen? Wahrscheinlich nicht, dachte Jack, aber das ließ sich nur feststellen, indem man nachsah. Es würde auf jeden Fall 482
mindestens eine Woche dauern. Einen Monat, wenn der kleine Scheißkerl etwas von Kryptografie und Codeschlüsseln verstand. Andererseits – wenn die Festplatte wirklich versteckte Daten enthielt, wäre das allein schon ein Indiz dafür, dass bin Sali ein dicker Fisch gewesen war, ein Spieler der obersten Liga und nicht nur irgendein Handlanger.
Und dann würde die Creme de la creme des GCHQ, des britischen Gegenstücks zur amerikanischen NSA, darauf angesetzt werden. Was er allerdings in seinem Kopf mit ins Grab genommen hatte, würde keiner von ihnen je herausfinden können.
»Hallo Jack.« Wills kam zur Tür herein.
»Morgen, Tony.«
»Das nenne ich Eifer. Was haben die Jungs inzwischen über unseren verstorbenen Freund rausgefunden?«
»Nicht viel. Sie überführen ihn wahrscheinlich heute noch nach Saudi-Arabien, und der Pathologe hat einen Herzinfarkt festgestellt. Damit sind unsere Jungs aus dem Schneider.«
»Im Islam ist es Brauch, die Toten möglichst rasch und in anonymen Gräbern zu bestatten. Das heißt, wenn die Leiche erst mal unter der Erde ist, dann ist sie ein für alle Mal
Weitere Kostenlose Bücher