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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und erzeige mir und diesem großen Effendi die Ehre, die uns gebührt. Danke ihm, denn er hat für dich gebeten, daß ich dir deine Portion Hiebe erließ. Wisse, du Nichtsnutz, daß er mir den Zahn herausgenommen hat, ohne daß ich es fühlte. Ich gebiete dir, ihm zu danken!“
    O, welches Vergnügen, der Leibarzt eines Pascha zu sein! Dieser arme Schlucker warf sich vor mir nieder und küßte mir den Saum meines alten Haïk. Dann fragte der Pascha:
    „Wo ist die Apotheke?“
    Der Arzt deutete auf einen großen, wurmstichigen Kasten.
    „Hier, o Pascha!“
    „Öffne!“
    Ich bekam ein wirres Durcheinander von allerhand Tüten, Blättern, Büchsen, Amuletten, Pflasterstangen und sonstigem Zeug zu sehen, dessen Charakter und Bestimmung mir vollständig unbekannt war. Ich fragte nach kohlensaurem Natron und Weinsteinsäure. Von dem ersteren war genug, von letzterer aber ganz wenig vorhanden; doch genügte es.
    „Hast du alles?“ fragte mich der Pascha.
    „Ja.“
    Er gab dem Arzt einen Abschiedstritt und gebot ihm:
    „Besorge von diesen beiden Sachen eine größere Menge und merke dir ihre Namen. Ich brauche sie sehr notwendig, falls ein Pferd krank wird. Wenn du die Namen vergißt, erhältst du fünfzig wohlgezählte Hiebe!“
    Wir kehrten in die Küche zurück. Es wurden Flaschen, Lack, Draht und kaltes Wasser beigeschafft, und dann jagte der Gouverneur alle Anwesenden hinaus. Kein Mensch außer ihm sollte, wenn auch nur teilweise, Mitwisser des großen Geheimnisses werden, einen Wein zu bereiten, der kein Wein sei und also von jedem guten Moslem ohne Gewissensbisse getrunken werden könne.
    Dann kochten, brauten, kühlten, füllten, pfropften und siegelten wir, daß ihm der Schweiß vom Angesicht troff, und als wir endlich fertig waren, durften die Diener wieder eintreten, um die Flaschen an den kühlsten Ort des Kellers zu bringen. Eine aber nahm der Pascha zur Prüfung mit und trug sie mit höchsteigener Hand durch das Vorzimmer in sein Gemach, wo wir uns wieder niederließen.
    „Wollen wir trinken?“ fragte er.
    „Er ist noch nicht abgekühlt genug.“
    „Wir trinken ihn warm.“
    „So schmeckt er nicht.“
    „Er muß!“
    Natürlich mußte er, denn der Pascha gebot es ja! Dieser ließ zwei Gläser bringen, verbot jedermann, selbst den Meldenden, den Eintritt und löste den Draht.
    Puff! – Der Stöpsel flog an die Decke.
    „Allah il Allah!“ rief er erschrocken.
    Gischtend schoß der Kunstwein aus der Flasche. Ich wollte mein Glas schnell unterhalten.
    „Maschallah! Er spritzt wirklich!“
    Der Pascha tat den Mund auf und schob den Hals der Flasche zwischen die Lippen. Sie war fast leer, als er wieder absetzte und den Finger in die Öffnung steckte, um sie zu verschließen.
    „Saltanatly – prächtig! Höre, mein Freund, ich liebe dich! Dieser Wein ist sogar besser, als das Wasser vom Brunnen Zem-Zem!“
    „Findest du dies?“
    „Ja. Er ist sogar noch besser als das Wasser Hawus Kewser, welches man im Paradies trinken wird. Ich werde dir nicht zwei, sondern vier Khawassen mitgeben.“
    „Ich danke dir! Hast du dir genau gemerkt, wie man diesen Wein bereitet?“
    „Sehr genau. Ich werde es nicht vergessen!“
    Ohne an mich oder daran zu denken, daß zwei Gläser vorhanden seien, setzte er die Flasche wieder an den Mund und nahm sie erst dann hinweg, als sie leer war.
    „Bom bosch! Sie ist versiegt. Warum ist sie nicht größer gewesen?!“
    „Merkst du nun, wie kostbar mein Geheimnis war?“
    „Beim Propheten, ich merke es! O, ihr Nemsi seid sehr kluge Leute! Aber erlaube mir, dich einmal zu verlassen!“
    Er erhob sich und verließ das Zimmer. Als er nach einer Weile zurückkehrte, trug er etwas unter seinem Kaftan verborgen. Als er sich gesetzt hatte, zog er es hervor. Es waren – zwei Flaschen. Ich lachte.
    „Du hast sie selbst geholt?“ fragte ich.
    „Kendi – selbst! Diesen Wein, der kein Wein ist, darf niemand anrühren außer mir. Ich habe es unten befohlen, und wer von jetzt an nur die Flasche betastet, den lasse ich zu Tode peitschen!“
    „Du willst noch trinken?“
    „Sollte ich nicht? Ist dieses Getränk nicht köstlich?“
    „Aber ich sage dir, daß dieser Wein erst dann den rechten Geschmack haben wird, wenn er kalt geworden ist.“
    „Wie muß er dann schmecken, wenn er jetzt schon so köstlich ist! Preis sei Allah, der Wasser, Rosinen, Zucker und Arzneien wachsen läßt, um das Herz seiner Gläubigen zu erquicken!“
    Und er trank, ohne an mich zu denken. Seine

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