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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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daß sie mich kennenlernen sollen, wenn es ihnen einfällt mir die Achtung zu verweigern!“
    Der Gouverneur hielt Wort. Als Halef am nächsten Morgen mit dem Grauen des Tages sich erhob und den Kopf zur Tür hinausstreckte, wurde er von zehn Männern begrüßt, welche zu Pferd vor derselben hielten. Er weckte mich sofort, und ich beeilte mich natürlich, meine Herren Beschützer in Augenschein zu nehmen.
    Es waren, wie der Pascha versprochen hatte, fünf Arnauten und fünf Baschi-Bozuks. Letztere trugen die gewöhnliche Kleidung des türkischen Militärs. Die Arnauten hatten purpurne Sammetoberwesten, grüne, mit Sammet besetzte Unterwesten, breite Schärpen, rote Beinkleider mit metallenen Schienen, rote Turbans und trugen so viele Waffen an sich, daß man mit ihren Messern und Pistolen eine dreimal zahlreichere Schar hätte bewaffnen können. Die Baschi-Bozuks wurden von einem alten Buluk Emini (Fourier oder Schreiber einer Kompanie) und die Arnauten von einem wild blickenden Onbaschi (Befehlshaber von zehn Mann) kommandiert.
    Der Buluk Emini schien ein Original zu sein. Er ritt kein Pferd, sondern einen Esel, und trug das Zeichen seiner Würde – ein ungeheures Tintenfaß – an einem Riemen um den Hals. In seinem Turban staken einige Dutzend Schreibfedern. Er war ein kleines, dickes Männchen, dem die Nase fehlte; desto größer aber war der Schnurrbart, der ihm an der Oberlippe herabhing. Seine Wangen sahen fast blau aus und waren so fleischig, daß die Haut kaum zuzulangen schien, und für die Augen blieb nur so viel Raum zum öffnen übrig, als notwendig war, einen kleinen Lichtstrahl in das Gehirn des Mannes gelangen zu lassen.
    Ich gab Halef eine Flasche voll Raki und befahl ihm, diese tapferen Helden damit zu begrüßen. Er trat hinaus zu ihnen, und ich stellte mich so, daß ich den Vorgang beobachten konnte.
    „Sabahiniz chajir – guten Morgen, ihr wackeren Streiter! Seid uns willkommen!“
    „Sabahiniz chajir – guten Morgen!“ erwiderten alle zugleich.
    „Ihr seid gekommen, den berühmten Kara Ben Nemsi auf seiner Reise zu begleiten?“
    „Der Pascha sendet uns zu diesem Zweck.“
    „So will ich euch sagen, daß mein Name Hadschi Agha Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah ist; ich bin der Reisemarschall und Agha dessen, den ihr begleiten sollt, und ihr habt also meinen Weisungen Gehorsam zu leisten. Wie lautet der Befehl, den euch der Pascha gegeben hat?“
    Der Buluk Emini antwortete, und zwar mit einer solchen Fistelstimme, daß es klang, als höre man eine alte, eingerostete F-Trompete blasen:
    „Ich bin Buluk Emini des Padischah, den Allah segnen möge, und heiße Ifra. Merke dir diesen Namen! Der Pascha, dessen treuester Diener ich bin, hat mir dieses Tintenfaß und diese Federn nebst vielem Papier gegeben, um alles aufzuschreiben, was euch und uns begegnet. Ich bin der tapfere Führer dieser Leute und werde euch beweisen, daß – – –“
    „Schweig, Eschekun-atli (Eselsreiter)!“ unterbrach ihn der Onbaschi, indem er sich den gewaltigen Bart strich. „Was bist du? Unser Anführer? Du Zwerg! Du Herr des Tintenfasses und der Gänse, von denen deine Federn sind, das bist du, aber weiter nichts!“
    „Was? Ich bin Buluk Emini und heiße Ifra. Meine Tapferkeit – – –“
    „Schweig, sage ich dir! Deine Tapferkeit wächst in den Füßen deines Esels, den Allah verbrennen möge; denn diese Kreatur hat die armselige Angewohnheit, des Tages durchzugehen und des Nachts den Himmel anzubrüllen. Wir kennen dich und deinen Esel, aber dennoch ist es sehr ungewiß, wer von euch der Buluk Emini und wer der Esel ist!“
    „Wahre deine Zunge, Onbaschi! Weißt du nicht, daß ich so tapfer bin, daß ich mich im Kampf sogar dahin gewagt habe, wo man die Nasen abhaut? Blicke meine Nase an, die leider nicht mehr vorhanden ist, und du wirst staunen über die Verwegenheit, mit welcher ich gefochten habe! Oder weißt du etwa die Geschichte nicht, die Geschichte vom Verlust meiner Nase? So höre! Es war damals, als wir vor Sebastopol gegen die Moskows kämpften; da stand ich im dichtesten Schlachtgewühl und erhob soeben meinen Arm, um – – –“
    „Schweig! Deine Geschichte hat man bereits tausendmal gehört!“ – Und sich zu Halef wendend, fuhr er fort: „Ich bin der Onbaschi Ular Ali. Wir haben gehört, daß der Emir Kara Ben Nemsi ein tapferer Mann ist, und das gefällt uns; wir haben ferner gehört, daß er sich unserer Aghas angenommen hat, und

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