12 Stunden Angst
»Sie hätten die Fenster hochjagen und ihn ausschalten sollen, solange sie eine Chance dazu hatten. Jetzt sind drei Geiseln in dem Haus anstatt zwei.«
Ellis starrte schweigend zurück, doch Danny sah, wie die Adern an seinem Hals hervortraten.
»Was sagen Sie dazu, Major?«, wandte Biegler sich mit hohntriefender Stimme an Danny. »Meiner Meinung nach ist es Zeit, dass das FBI sich der Sache annimmt. Der gute alte Billy Ray hier hat soeben bewiesen, dass er nicht den Mumm hat, der für diesen Job nötig …«
Der Schlag kam so ansatzlos und schnell, dass Danny die Faust des Sheriffs nicht sah, bevor sie gegen das Kinn von Agent Biegler krachte. Der Regierungsbeamte brach zusammen wie vom Blitz getroffen und rührte sich nicht mehr.
»Ich hatte ihn gewarnt«, sagte Ellis. »Los, Trace – schaffen Sie den Penner hier raus!«
Trace Breen hatte die Augen vor Ehrfurcht weit aufgerissen, selbst noch, als er von seinem Platz am Funkgerät aufsprang und Biegler an den Hacken aus dem Wagen zerrte.
»Schließen Sie die Tür hinter sich ab, wenn Sie wieder reinkommen«, befahl der Sheriff.
Nachdem Trace wieder an seinem Platz war, fuhr der Sheriff fort: »Ray kommt jeden Augenblick rein, sobald er sich beruhigt hat. Sagen Sie Ihrem Bruder, dass er die Tür bewachen und Biegler draußen halten soll. Ich will diesen Hundesohn heute Nacht nicht mehr sehen.«
»Biegler oder Ray?«, fragte Trace.
»Biegler!«
Trace nickte und wandte sich wieder dem Funkgerät zu.
Sheriff Ellis nahm Danny mit in eine Ecke. »Ich gestehe es sehr ungern, aber mir sind die Ideen ausgegangen«, sagte er leise. »Was machen wir jetzt? Warten wir einfach ab?«
Danny schüttelte den Kopf. Grant Shields’ unerwartetes Wiederauftauchen hatte ihm eine Chance eröffnet, die er Sekunden vorher vertan geglaubt hatte. »Manchmal ist es das Beste, garnichts zu tun, aber hier ist es anders, Sheriff. Wenn die Dinge nicht besser werden, ändern sie sich zum Schlechteren, verstehen Sie?«
Ellis nickte. »Da haben Sie recht.«
»Ich habe eine Idee, Sheriff, und ich möchte, dass Sie darüber nachdenken.«
»Schießen Sie los.«
»Ich will selbst in das Haus. Ich will reingehen und von Angesicht zu Angesicht mit Shields reden.«
Ellis starrte ihn ungläubig an. »Unbewaffnet?«
»Wenn ich mit einer Waffe reingehe, wird er mich erschießen, und ich könnte es ihm nicht mal verdenken.«
Als Ellis forschend in Dannys Augen blickte, wurde diesem bewusst, dass der Sheriff bei weitem nicht das tumbe Landei war, für das Leute wie Marilyn Stone, die Anwältin, ihn hielten.
»Ich bekomme allmählich das Gefühl, als würde ich etwas übersehen«, sagte Ellis. »Zuerst verlangt Shields, mit Ihnen zu reden. Nicht mit mir, nicht mit seinem Anwalt, nicht mit seinem Pastor – mit Ihnen. Und dann redet er mit Ihnen, als wären Sie sein Pastor. Und jetzt wollen Sie unbewaffnet in ein Haus, in dem ein gestörter Mann, der wahrscheinlich einen anderen erschossen hat, seine Familie gegen ihren Willen und mit einer Waffe in den Händen festhält. Ist das so richtig?«
Danny hatte versucht, nicht zu sehr über die Risiken seines Plans nachzudenken, doch so leicht ließ Ellis ihn nicht vom Haken. Er hatte selbst nicht gewusst, was er fühlte – bis zu dem Augenblick, als Ray Breen die Fenster hochjagen wollte, unmittelbar bevor die Kugel aus Carls Gewehr das wild pochende Herz von Warren Shields in Brei verwandelt hätte. Nachdem Carl den Jungen auf dem Dach entdeckt und Sheriff Ellis sich Rat suchend an Danny gewandt hatte, hätte Danny genauso einfach »Zugriff!« sagen können anstatt »Abbrechen«. Dann wäre Shields jetzt tot, und Laurel wäre Witwe. Eine alleinstehende Frau, frei, ihr Leben zu teilen, mit wem sie wollte. Danny begehrte Laurel mehr, als er jemals eine Frau begehrt hatte. Doch als er für einen kurzenAugenblick die Chance gehabt hatte, sie zu besitzen – bereits das zweite Mal, wie ihm jetzt klar wurde –, war er nicht imstande gewesen, die Gelegenheit beim Schopf zu packen. Das erste Mal, weil er nicht bereit war, seinen Sohn für sie aufzugeben, und das zweite Mal, weil er nicht den Rest seines Lebens mit dem Blut eines anständigen Mannes an seinen Händen verbringen konnte.
Doch es war noch etwas anderes gewesen, was ihn daran gehindert hatte, etwas tiefer Gehendes, das er immer noch nicht genau festmachen konnte. Er versuchte nach wie vor, das Gefühl zu entschlüsseln, als es draußen wütend an die Tür hämmerte.
»Aufmachen,
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