12 Stunden Angst
Familie.«
»Nett von Ihnen«, sagte Laurel. »Ich habe diese Anfälle nicht oft, aber wenn, erwischt es mich immer furchtbar schlimm …«
Sie nahm ihre Handtasche und ihr Notebook, eilte über den Zufahrtsweg zum Schulgebäude und sagte der Sekretärin, sie fühle sich nicht wohl und müsse nach Hause; dann rannte sie zum Klassenzimmer von Diane Rivers und steckte den Kopf durch die Tür. Neunundzwanzig Drittklässler starrten sie an. Diane blickte vom Pult auf und sah auf den ersten Blick, dass Laurel in Schwierigkeiten steckte. Mit sorgenvoller Miene kam sie nach draußen auf den Gang.
»Ist die Migräne schlimmer geworden?«
»Kaum auszuhalten. Ich muss nach Hause. Könnten Sie meine Kinder nach der Schule vorbeibringen?«
»Kein Problem, es liegt ja auf meinem Weg.«
Laurel drückte Diane die Hand und verließ das Gebäude. Sie überquerte die Zufahrt auf dem Weg zu ihrem Wagen, als Erin Sutherland, ihre Assistentin, vom Spielplatz hinter dem Schulgebäude nach ihr rief, wo die Kinder aus ihrer Klasse während des Elternsprechtages gespielt hatten. Laurel wollte nicht stehen bleiben – wenn ihre Schüler sie sahen, würden einige zu ihr gerannt kommen –, doch Erin winkte mit beiden Armen, währendsie zum Zaun gelaufen kam. Seufzend drehte Laurel sich um und zwang sich zu einem Lächeln.
»Hallo, Erin. Was ist?«
»Es geht um Major McDavitt«, sagte Erin. »Er ist heute Morgen hergekommen und hat eine Zeit lang bei seinem Sohn gesessen. Ich dachte, das ist okay, weil Sie beide befreundet sind und weil ich weiß, wie viel er für die Kinder hier tut …«
Laurel nickte. »Aber?«
Zögernd antwortete Erin: »Er hat geweint. Auch der kleine Michael.«
Laurel war erstaunt. Es sah Danny gar nicht ähnlich, in Tränen auszubrechen. Sie blickte an Erin vorbei und suchte den Spielplatz nach Michael ab, Dannys Sohn. Er saß allein auf einer Hängeschaukel – ein kleiner, dunkelhaariger Junge, der ins Leere starrte, während er geistesabwesend vor und zurück schaukelte. »Hat Major McDavitt etwas zu Ihnen gesagt?«
»Nein. Ich bin zu ihm gegangen und habe ihn gefragt, ob alles in Ordnung sei, aber er hat nur abgewinkt, als wollte er mir sagen, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
»Und dann ist er gefahren?«
Erin nickte zögernd, als befürchtete sie, Laurel könnte ihr Vorwürfe machen. Laurel wollte das Mädchen beruhigen, als mit einem Mal ihr geheimes Handy vibrierte. Es war auf einen Freund Dannys registriert, und Danny zahlte die Prepaid-Karten in bar. Auch er besaß ein zweites Handy, sodass er mit Laurel reden konnte, ohne dass seine Frau etwas davon mitbekam. Die SMS konnte nur von Danny sein.
Laurel tätschelte beruhigend Erins Arm, wandte sich um und ging rasch zu ihrem Wagen, wobei sie das Handy aufklappte. Tut mir leid wegen vorhin, lautete Dannys Textnachricht. Bitte ruf mich an. Starlette ist heute den ganzen Tag in Baton Rouge.
Laurel klappte das Handy zu, ohne eine Antwort einzutippen, stieg in den Wagen und fuhr auf den Highway 24. Sollte sie zu Warren in die Praxis, um sich Imigran injizieren zu lassen? Sieschüttelte den Kopf. Nein. Wenn es einen Menschen gab, den sie im Augenblick nicht sehen wollte, war es ihr Mann: Er würde auf den ersten Blick erkennen, dass sie am Rande eines Zusammenbruchs stand. Abgesehen davon war sie sicher, dass ihr altes Spritzbesteck irgendwo zu Hause in Warrens Arzneimittelschrank lag.
Laurel musste an Dannys SMS denken. Ihr Stolz riet ihr, sie zu ignorieren, doch sie hatte seit mehr als einem Monat um eine solche Nachricht von ihm gebetet, und nun war sie gekommen. Und jetzt wartete Danny darauf, dass sie sich meldete. Jetzt sofort. Er wartete in seinem Haus auf dem zwanzig Hektar großen Grundstück am Ende der Deerfield Road, weniger als fünf Meilen entfernt. Dort hatten sie beide den größten Teil ihrer gemeinsamen Zeit verbracht – mit Ausnahme von ein paar Kurztrips letzten Sommer. Starlette hielt sich häufig außerhalb der Stadt auf, vor allem in Baton Rouge, wo sie in Nobelboutiquen einkaufte oder sich in einem der angesagten Salons die Haare und die Nägel machen ließ. Ihre kostspieligen Angewohnheiten hatten Danny und Laurel im letzten Jahr reichlich Gelegenheit verschafft, sich ausgiebig kennen zu lernen, sodass sie lange Nachmittage mit Spaziergängen, Reiten, Schwimmen und sogar gemeinsamen Flugstunden verbracht hatten, statt sich in Stundenhotels treffen zu müssen, immer von der Angst geplagt, ihre
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