12 Stunden Angst
Linken in Sicht kommen. »Gehen Sie runter auf fünfhundert Fuß. Ich glaube, da ist eine Herde Rotwild.«
Marilyn ließ die Cessna in einen raschen Sinkflug übergehen.
»Gut. Bleiben Sie in sicherem Abstand von den Häusern.« Danny hätte sich bei Laurel zu gerne durch den Flugzeuglärm bemerkbar gemacht, aber das konnte er nicht riskieren: Falls Warren auch nur den Hauch eines Verdachts hegte, dass Danny der Liebhaber seiner Frau war, wäre es Irrsinn, seineAufmerksamkeit auf die Cessna zu lenken. Warren hatte die Maschine so oft selbst geflogen, dass er sie auf den ersten Blick erkennen würde. Und da Laurel – oder Warren, was das anging – nicht auf die beiden letzten SMS-Nachrichten geantwortet hatte, musste Danny einen kühlen Kopf bewahren. »Jemand im Eisenwarenladen hat sich vor ein paar Tagen bei mir beschwert, dass ich manchmal zu tief runtergehe«, sagte er. »Er wollte wissen, ob ich vorhätte, die Gegend zu bombardieren oder so was.«
Marilyn lachte und steuerte das kleine Flugzeug einen halben Kilometer nach Osten, was Danny einen perfekten Ausblick auf Laurels Acura verschaffte, der hinter dem Volvo ihres Ehemannes parkte. Der Anblick ließ einen Knoten in seinem Magen entstehen. Was ging dort unten vor?
Vielleicht sprechen sie sich aus, dachte er und wünschte sich beinahe, es wäre so. Jede andere denkbare Alternative war schlimmer.
»Und? Böcke gesehen?«, fragte Marilyn.
»Nein. Sie?«
»Nichts dergleichen. Nur Kühe, und die sind unter die Bäume geflüchtet.«
Danny schloss die Augen und versuchte logisch zu denken, doch seine Nerven machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Oder waren es seine Gefühle?
»Fliegen wir zurück«, sagte er mit einem Blick auf die Uhr. »Ich habe einen wichtigen Termin und muss pünktlich sein.«
»Passt in meine Pläne«, sagte Marilyn und musterte ihn verstohlen aus den Augenwinkeln. »Ich muss heute Nachmittag eine eidesstattliche Aussage aufnehmen. Das wird ein großer Fall.«
»Mir tut der gegnerische Anwalt jetzt schon leid.«
Sie lachte. »Sie wissen doch gar nicht, ob ich eine gute Anwältin bin oder nicht.«
Er schnalzte mit der Zunge. »Oh doch, das weiß ich.«
»Wie das?«
Er tippte sich an die Nase. »Ich bin ein guter Menschenkenner.«
Marilyn stieß ihm den Ellbogen in die Seite, und er sah, wie Farbe in ihre Wangen stieg. »Darauf wette ich«, sagte sie und sah ganz danach aus, als wollte sie noch mehr sagen.
Danny widerstand dem Verlangen, noch einmal auf Avalon zu schauen, als Marilyn eine kontrollierte 180-Grad-Kehre flog.
»Ist alles in Ordnung, Danny?«, fragte sie unvermittelt mit besorgter Stimme.
»Sicher, alles bestens.«
»Sie sehen aus, als hätten Sie Kummer. Ich glaube nicht, dass ich Sie schon mal so besorgt gesehen habe.«
Diese Beobachtungsgabe macht dich zu einer so guten Anwältin, ging es Danny durch den Kopf. »Ich hab bloß ein bisschen Kopfschmerzen«, sagte er.
»Wenn Sie es sagen. Aber falls Sie Hilfe brauchen … zögern Sie nicht, mich anzurufen.«
Er versuchte zu lachen, doch je mehr er über die Situation nachdachte, desto größer wurde seine Besorgnis. Die Cessna flog in südwestliche Richtung auf den Mississippi zu, wo der Fluss zwischen Angola State Prison und De Salle Island eine weite Biegung beschrieb. »Kennen Sie sich in Familienrecht aus, Marilyn?«
Sie seufzte. »Ich dachte mir schon, dass es etwas in der Art sein muss. Ja, ich kenne mich aus, sogar ziemlich gut. Ich habe früher nur Scheidungssachen verhandelt, bis ich genügend Öl-Geschäfte hatte, um davon leben zu können.«
Danny rieb sich die Stirn. Er hatte bereits mit einigen Anwälten geredet, doch keiner schien die speziellen Probleme zu begreifen, die Michaels Erziehung mit sich brachte. »Okay, dann möchte ich Sie etwas fragen. Es geht um Sorgerechtsprobleme«, sagte er in der verzweifelten Hoffnung, dass Marilyn mehr draufhatte als ihre Kollegen.
Sie schaute ihm in die Augen und nickte. Ihre Miene war mit einem Mal ernster, als Danny sie je zuvor gesehen hatte.
»Es ist eine komplizierte Geschichte«, fügte er hinzu.
Sie lächelte ermutigend. »Deswegen brauchen Sie ja professionelle Hilfe. Schießen Sie los, Major.«
Laurel war halb besinnungslos vor Angst. Das Hackerprogramm namens Merlin’s Magic bearbeitete ihren Hotmail-Account bereits seit fast einer Stunde, und früher oder später würde der verstandlose digitale Rammbock durchbrechen. Das Programm war schnell und effizient und benutzte eine
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