Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
Brute-Force-Strategie, die den Erfolg garantierte, solange nur genügend Zeit zur Verfügung stand. Laurel wusste nicht genug über Wahrscheinlichkeitstheorie, um eine Einschätzung vorzunehmen, wie lange es dauern konnte, bis das Programm ihr Passwort gefunden hatte – sicherlich länger als die fünfzehn oder zwanzig Minuten, bis Grant und Beth von der Schule nach Hause kamen. Doch was sollte Warren daran hindern, sie und die Kinder die ganze Nacht hindurch festzuhalten? Er konnte Merlin’s Magic laufen lassen, bis ihm der Inhalt ihrer geheimen E-Mails in den Schoß fiel, und wenn es bis zum nächsten Morgen dauerte.
    Warren hatte das Programm gerade erst installiert, als Laurel geglaubt hatte, im Osten ein schwaches Geräusch zu hören wie von einem Flugzeugmotor. Allerdings hatte sie nicht aufstehen und nachschauen können, weil Warren sie wieder mit Klebeband an Knöcheln und Unterschenkeln gefesselt hatte – wahrscheinlich, damit er sich auf das Passwortprogramm konzentrieren konnte, ohne sich ständig wegen ihr Gedanken machen zu müssen.
    Laurel fürchtete sich beinahe davor zu hoffen, dass das Geräusch von Dannys Flugzeug stammte – und doch tat sie genau das. Wer sonst konnte ihr helfen? Schließlich hatte sie auf seine beiden letzten SMS-Nachrichten nicht geantwortet, und das hatte Danny möglicherweise so sehr beunruhigt, dass er das Haus überflogen hatte. Aber was konnte er sonst noch tun?
    Du musst dir schon selbst helfen, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. Warte nicht, bis jemand anders dir zu Hilfe kommt.
    Nach ein paar Minuten angestrengten Nachdenkens war Laurel eine Möglichkeit eingefallen, wie sie sich von dem Klebeband befreien konnte. Als Warren nicht hinschaute, drehte sie den zweikarätigen Brillanten in ihrem Ehering nach innen und prüfte, obdie Kanten scharf genug waren, um damit zu schneiden. Das Problem war Warren, der sie im Sichtfeld hatte, sobald er den Blick hob.
    Nachdem Laurel darüber geklagt hatte, dass das nasse Klebeband fürchterlich juckte – was der Wahrheit entsprach –, begann sie sich demonstrativ zu kratzen. Und wann immer Warren gefangen schien vom Computerbildschirm, sägte sie weiter an dem vertikalen Riss in dem Band, mit dem ihre Beine gefesselt waren. Sie hatte Angst, der Brillant könnte sich aus der Fassung lösen, wenn sie zu stark drückte – Weißgold war kein besonders hartes Metall –, doch sie hatte keine Alternative.
    Kurz zuvor hatte Warren fast eine Minute lang auf der Tastatur getippt. Zuerst war Laurel erschrocken gewesen, dann aber hatte sie gemerkt, dass er noch nicht in ihr E-Mail-Konto eingebrochen war. Offensichtlich beantwortete er eine Mail oder schrieb selbst eine. Laurel nutzte die kurze Zeit, um noch kräftiger an den Fesseln zu schaben. Doch selbst wenn es ihr gelang, sie zu durchtrennen, blieben immer noch die gebundenen Hände. Es würde schwierig werden, wenn nicht sogar unmöglich, mit gefesselten Händen die Vase vom Boden aufzuheben und sie Warren über den Kopf zu schlagen. Und selbst wenn es ihr gelang, blieb immer noch das Problem, an ihre Schlüssel zu gelangen und zum Wagen zu flüchten. Warren würde bestimmt nicht friedlich auf dem Boden liegen bleiben und zuschauen, während sie die Flucht ergriff.
    Sie tat, als kratze sie sich an den Knöcheln, als Warren sich vom Polsterschemel erhob und sie anstarrte, als wollte er sie hypnotisieren.
    »Warum hast du versucht, ins Sicherheitszimmer zu flüchten?«, fragte er.
    »Weil ich dachte, ich wäre dort sicher.«
    »Ist das der einzige Grund?«
    »Welchen anderen Grund könnte ich haben?«
    Er richtete den rechten Zeigefinger auf sie und wackelte damit wie ein erboster Lehrer vor ihrer Nase. »Komm, finden wir’sheraus.« Er schob sich die Waffe in den Hosenbund, erhob sich und ging in die Küche.
    Laurel beugte sich vor und sägte wie besessen an ihren Fesseln. Ein paar Sekunden später kam Warren mit einem Messer in der Hand aus der Küche zurück und ging direkt auf sie zu. Er kniete vor ihr nieder und schnitt zuerst das Klebeband um ihre Unterschenkel, dann die Fesseln um ihre Knöchel durch. Einen Augenblick lang befürchtete sie, er könne die Spuren ihrer Befreiungsversuche entdecken, doch er war zu sehr in Eile. Er zerrte sie auf die Beine und schob sie nach draußen in die Eingangshalle.
    »Mit wem hast du E-Mails getauscht?«, fragte sie.
    »Wie kommst du darauf?«, entgegnete er.
    »Du hast getippt und dann gelesen. Ah, ich weiß. Jemand hatte dir den Tipp gegeben,

Weitere Kostenlose Bücher