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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Verlangen, zu seinem Wagen zu rennen, zur Bank zu fahren, seine Bargeldkonten zu plündern und aus der Stadt zu verschwinden. Hätte ich doch nur mein verdammtes Maul gehalten! Er drückte den Knopf der Gegensprechanlage und wartete, dass Nell antwortete.
    »Ja, Dr. Auster?«, fragte sie mit eigenartig kalter Stimme.
    »Würden Sie Vida bitten, in mein Büro zu kommen?«
    »Äh … Vida ist nicht da, Herr Doktor.«
    »Was? Wo ist sie?«
    »Sie ist einkaufen gegangen.«
    »Einkaufen? Wo?«
    »Ich weiß es nicht, Sir.«
    Auster hatte es die Sprache verschlagen. Vida hatte die Praxis noch nie tagsüber verlassen. Vielleicht waren ihr die Zigaretten ausgegangen.
    »Soll ich sie zu Ihnen schicken, wenn sie zurück ist, Herr Doktor?«
    »Ja … ja, bitte. Das wäre alles, Nell.«
    Auster schlug das Herz bis zum Hals. Er kramte in der obersten Schublade nach einem weiteren Beta-Blocker und schluckte die Kapsel zusammen mit dem Rest einer abgestandenen Cola, die vom Frühstück übrig geblieben war. Sicherheitshalber schob er sich noch eine Ativan unter die Zunge.
    Was konnte er tun, um sich innerhalb von neunzig Minuten zu retten? Biegler anrufen und ihn geradewegs zum Haus von Warren Shields schicken, wo die untergeschobenen Beweise warteten? Behaupten, dass er alles nur getan hatte, um seinen jüngeren Partner zu schützen? Würde Biegler ihm das abkaufen? Wahrscheinlich nicht – es gab immer noch zu viele Beweise in der Praxis. Zu viele Patienten, die er warnen musste. Zehn Tage hatten als Vorlaufzeit einfach nicht ausgereicht. Er brauchte Vida. Sofort.
    Er wählte ihr Handy an und wurde geradewegs zu ihrerMailbox weitergeleitet. Entweder telefonierte Vida gerade, oder sie beantwortete seinen Anruf absichtlich nicht. Unentschlossen, was er als Nächstes tun sollte, erhob Auster sich von seinem Platz, um sein privates Büro zu verlassen und den nächsten wartenden Patienten zu untersuchen; dann aber sank er wieder auf den Sessel zurück, zog die Kristallflasche mit dem Diaka aus der untersten Schublade seines Schreibtisches und nahm einen heroischen Schluck von dem teuren Getränk.
    »Sicher ist sie bald wieder zurück«, murmelte er vor sich hin und genoss die wohlige Wärme, die sich in seinem Magen ausbreitete, als der Alkohol seine Wirkung entfaltete. »Vida weiß, was zu tun ist. Ganz bestimmt.«
    Warren zerrte Laurel über den Flur zum Gästezimmer und stieß sie aufs Bett. Draußen erklang erneut die Hupe; dann läutete es an der Tür.
    »Bitte, lass mich aufmachen!«, bettelte sie. »Ich versuche auch keine Dummheiten mehr. Ich schwöre es!«
    Warren hörte gar nicht zu. Er schob einen Stuhl unter den Türknauf; dann wühlte er in der Abstellkammer des Gästezimmers, wo sie Krimskrams aufbewahrten, für den es im Haus keinen anderen Platz gab.
    »Was hast du vor?«, rief Laurel und betete, dass Diane die Kinder mit zu sich nach Hause nehmen würde, wenn niemand öffnete. Aber die beiden Wagen standen in der Auffahrt. »Bitte, Warren, fessle mich nicht wieder mit Klebeband. Ich will nicht, dass die Kinder mich so sehen.«
    »Kein Klebeband«, sagte er und kam mit einem meterlangen, plastiküberzogenen Stahlseil zurück. Ein Fahrradschloss.
    »Nein!«, schrie Laurel entsetzt.
    Warren hockte sich rittlings auf sie und schlang ihr das Kabel zweimal um den Hals. Dann zog er es straff und führte die Enden zwischen zwei Stäben im hölzernen Kopfende hindurch. Als er fertig war und die Tür hinter sich zuzog, konnte Laurel sich kaum rühren, ohne sich selbst die Luft abzuschneiden.
    »Ich bin gleich wieder zurück«, sagte Warren. »Mach keine Dummheiten.«
    Er verschwand nach draußen in den Flur. Laurel hörte, wie die Haustür geöffnet wurde und dann einen hellen Freudenschrei, als Beth ihren Vater unerwartet früh zu Hause vorfand. Die Stimmen sanken zu einem gedämpften Summen herab. Sekunden später hörte Laurel Schritte die Treppe hinauftrappeln.
    Warum?
    Die Fahrradkette würgte Laurel, und sie rang nach Atem, während sie sich den Kopf zermarterte, ob ihre Entscheidung an der Tür vorhin richtig gewesen war. Sie hatte gelesen, dass Experten empfahlen, Frauen sollten in einer Geiselsituation alles versuchen, um zu flüchten, selbst auf das Risiko hin, erschossen zu werden, um nur ja ihrer Gefangennahme zu entgehen, aber das hier war etwas anderes. Als Warren gesagt hatte, er würde sich eine Kugel in den Kopf jagen, hatte Laurel am Klang seiner Stimme erkannt, dass er es ernst meinte. Er würde zuerst sie

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