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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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töten und dann sich selbst. Warren hatte den Boden der Realität unter den Füßen verloren. Aber vielleicht waren die Kinder imstande, ihn zurückzuholen.
    Sie hörte leise Schritte im Spielzimmer oben. Die Couch der Kinder ächzte unter dem ungewohnten Gewicht, als Warren sich daraufsetzte. In diesem Moment hasste sie Danny McDavitt. Noch vor fünf Wochen war ihr Leben ein wundervoller Traum gewesen. Sie und Danny hatten beschlossen, ihren Ehepartnern noch in der gleichen Nacht zu sagen, dass sie sich scheiden lassen wollten. An jenem Nachmittag waren sie und Danny in einem beschwingten Gefühl auseinandergegangen, auch wenn der Gedanke, mit Warren über das Thema Scheidung reden zu müssen, bei Laurel Besorgnis hervorrief. Doch nach elf Monaten qualvoller Heimlichkeiten waren sie endlich mit der Wahrheit ans Licht gekommen, so schmerzhaft es sein mochte.
    Danny hatte sich an seinen Teil der Abmachung gehalten. Nachdem er die Kinder zu Bett gebracht hatte, hatte er sich mit Starlette in der Küche zusammengesetzt und ihr gesagt, er liebesie nicht mehr. Auf ihre Frage, ob er eine andere habe, hatte Danny ihr gestanden, er habe zum ersten Mal in seinem Leben die wahre Liebe gefunden.
    Starlette war durchgedreht. Sie hatte ihn angeschrien, sie denke gar nicht daran, in die Scheidung einzuwilligen (in Mississippi musste man eine Begründung liefern). Und seine Vorstellungen über das Sorgerecht für die Kinder – beispielsweise, dass Michael bei ihm blieb – könne er sich von der Backe streichen, sollte er sie gegen ihren Willen zur Scheidung zwingen. Sie werde Michael bei sich behalten. Er, Danny, solle genauso unter der Scheidung leiden wie sie selbst. Außerdem sollten ihre Freundinnen nicht auf die Idee kommen, sie sei imstande, ihren autistischen Sohn ohne Weiteres aufzugeben (was die Wahrheit gewesen wäre). Danny hatte jene Nacht in der Küche verbracht und verzweifelt nach einem Weg aus dem Käfig gesucht, den Starlette um ihn herum errichtet hatte.
    Im Haus der Shields hatten die Dinge sich ganz anders entwickelt. Warren war schweigsamer als sonst von seiner Krankenhausvisite nach Hause gekommen und hatte seine Kinder minutenlang ignoriert, obwohl sie sich verzweifelt um seine Aufmerksamkeit bemühten. Beunruhigt hatte Laurel die Kinder nach hinten in den Garten geschickt, bevor sie Warren gefragt hatte, was passiert sei. Warren hatte ihr berichtet, am Nachmittag sei Jimmy Woods gestorben. Jimmy war von der Vorschule bis zur Abschlussklasse mit Warren zusammen zur Schule gegangen, und sie hatten als Kinder in der gleichen Straße gewohnt. Einige Jahre zuvor war Jimmy an Diabetes erkrankt und hatte alle Mühe gehabt, die Krankheit unter Kontrolle zu halten. Eine Stunde bevor Warren von der Arbeit nach Hause gefahren war, war Jimmy mit dem Auto unterwegs gewesen, um seinen Sohn vom Baseball-Training abzuholen, und war auf dem Highway in ein Diabeteskoma gefallen. Er war eine Böschung hinaufgerast und mit voller Wucht gegen einen Baum geprallt. Warren war im Krankenhaus gewesen, als Jimmy in die Notaufnahme gebracht worden war, und der diensthabende Arzt hatte ihn herbeigerufen, damiter half, Jimmy zu stabilisieren, der sich das Genick gebrochen hatte. Jimmy war unter Warrens Händen gestorben – blau wie ein einziges riesiges Hämatom und vom Hals abwärts gelähmt.
    Warren hatte nie zuvor Emotionen gezeigt, wenn er einen Patienten verloren hatte, doch als er erzählte, wie Jimmy gestorben war, liefen ihm die Tränen über die Wangen. Er hatte Jimmys Frau, die mit ihrem Sohn in der Notaufnahme erschienen war, persönlich die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbracht.
    Laurel war eigenartig gerührt gewesen. Sie war zu Warren gegangen und hatte ihn fest in die Arme schließen wollen, doch er hatte sich versteift und versucht, das Thema zu wechseln. Sie hatte ihn trotzdem einen Moment lang festgehalten, bevor sie in die Küche zurückgekehrt war und das Abendessen fertig zubereitet hatte.
    Nachdem sie die Kinder zu Bett gebracht hatte, war sie nach unten gegangen und hatte Warren auf dem Sofa angetroffen, wo er vor dem Fernseher saß. Trotz ihrer Sehnsucht nach Danny hatte sie es in diesem Augenblick nicht übers Herz gebracht, Warren zu sagen, dass sie ihn verlassen würde. Ihre gepackten Taschen, versteckt im Kofferraum ihres Wagens, mussten eben eine weitere Nacht warten, auch wenn Danny verärgert reagieren sollte. Sie wollte gerade duschen gehen, als Warren den Kopf in ihre Richtung drehte und sie

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