12 Stunden Angst
gegriffen hatte, war sie in diesen Alptraum geraten. Sie hatte das Leben ihrer Kinder in Gefahr gebracht.
Gott vergib mir.
»Du magst es, dich selbst zu erniedrigen, wie?«, sagte Warren. »Dieses Leben, das wir führen, dieses perfekte Leben – du scheinst es zu hassen. Du brauchst mehr Drama, nicht wahr? Du brauchst dieses Gefühl von Gosse. Es macht dich an. Wie die Pornos in deinem Computer. Es geilt dich auf, du Nutte!« Er redete sich in Rage. »Es muss etwas mit deinem Vater zu tun haben, diesem Prediger. Hat der alte Tom dir vielleicht still und heimlich die Kommunion verabreicht, nachdem deine Mom nachts schlafen gegangen war? Einen Schluck Wein, und dann hat er dir sein Ding reingesteckt?«
»Baptisten trinken bei der Kommunion Grapefruitsaft anstatt Wein.«
Warren lachte bellend. »In der Öffentlichkeit vielleicht. Privat trinken sie genauso Alkohol wie alle anderen auch.«
Ein Schluchzer stieg ihr in die Kehle, was ihr das Atmen noch mehr erschwerte. »Bitte, Warren …«, ächzte sie. »Bitte nimm mir dieses Ding ab. Ich krieg wirklich keine Luft mehr.«
»Ich nehme es ab«, sagte er und lächelte merkwürdig. »Und weißt du warum? Weil du einen Anruf tätigen wirst.«
»Wen soll ich anrufen?«
»Kyle natürlich.«
»Kyle? Was soll ich ihm denn sagen?«
Warren überlegte einen Moment. »Du willst einen nachmittäglichen Quickie mit ihm. Du bist scharf auf ihn. Du kannst keine Minute länger warten.«
Laurel traute ihren Ohren nicht.
»Du hast dir die Pornos angeschaut, aber es war nicht genug. Es hat dich erst richtig scharf gemacht. Benutz deine Phantasie.Bestimmt hast du es schon in unserem Bett mit ihm getrieben und jede Sekunde genossen. Wahrscheinlich genauso sehr wegen mir wie wegen sonst was.«
Warren verließ das Zimmer und kam mit zwei Schnurlostelefonen zurück. Er hat sie schon irgendwo liegen gehabt, dachte Laurel und lag still, als er das Fahrradkabel aufschloss, ein wenig lockerte und dann zu ihrem Entsetzen das Schloss wieder einrasten ließ. Er hatte gar nicht die Absicht, sie von diesem Folterinstrument zu befreien.
Laurel beobachtete, wie er auf einem der Telefone eine Nummer wählte; dann klemmte er es zwischen ihrem und seinem Kopf ein, um kein Wort von dem zu verpassen, was Auster sagen würde.
Mit der anderen Hand drückte er ihr die Mündung seines Revolvers gegen die Rippen.
Als Austers Telefon summte, nahm er an, es wäre Vida, die seinen Anruf von vorhin beantwortete, doch auf dem Display stand WARREN SHIELDS. Auster stieß einen tiefen, erleichterten Seufzer aus – obwohl ihm nicht ganz klar war, inwiefern eine Unterhaltung mit Shields ihn beruhigen konnte. Vielleicht, weil sie beide im gleichen Boot saßen, auch wenn Shields noch keine Ahnung hatte, wie sehr das Boot inzwischen leckte. Er nahm den Hörer ab.
»Warren? Wo stecken Sie?«
»Kyle?«, fragte eine weibliche Stimme, von der Auster im ersten Moment glaubte, sie gehöre seiner Freundin, bevor er seine Meinung revidierte. Diese Frauenstimme klang viel erwachsener.
»Hier ist Kyle Auster. Mit wem spreche ich?«
»Laurel.«
Laurel Shields? Was hat das nun schon wieder zu bedeuten? »Laurel? Was gibt’s?«
»Nichts. Ich habe an dich gedacht, das ist alles.«
»An … an mich?«, stammelte Auster verwirrt.
»Ja.«
»Was ist mit mir?«
»Du weißt schon. Was wir zusammen getan haben.«
»Was wir zusammen getan haben?«
»Ja. Du weißt doch.«
»Also … ich bin ein bisschen verwirrt, Laurel. Ich mag deinen Tonfall, aber vielleicht könntest du mir ein wenig auf die Sprünge helfen?«
»Ich will, dass du vorbeikommst und mich vögelst. Jetzt. Die Kinder sind auf einer Geburtstagsparty.«
Es verschlug Auster die Sprache.
»Du musst es mir genauso besorgen wie beim letzten Mal. Schaffst du das?«
Beim letzten Mal? »Laurel … das ist ein Witz, oder? Wie bei der Versteckten Kamera oder so, habe ich recht?«
»Kein Witz, Kyle. Du solltest mich besser kennen.«
»Ich weiß, dass ich jahrelang Andeutungen gemacht habe und dass du mich immer auf Armeslänge gehalten hast. Was hat sich plötzlich geändert?«
Eine lange Pause entstand. Auster glaubte zu bemerken, wie am anderen Ende eine Hand über den Hörer gehalten wurde. Er kippte mehrere Schluck Diaka hinunter, bis ihm durch die wodkabenebelten Sinne dämmerte, dass Warren Shields heute nicht zur Arbeit gekommen war. Vielleicht hielt er sich in diesem Moment zu Hause auf. Vielleicht stand er neben Laurel am
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