12 Stunden Angst
zu zünden, zu der dieser von Benzin- und Alkoholdämpfen erfüllte Raum geworden war.
»Sie wollen mich ins Gefängnis bringen, stimmt’s, Agent Biegler?«, fragte Vida in herausforderndem Tonfall.
»Kommt darauf an. Wenn Sie mit uns kooperieren, könnten Sie einer Bestrafung vielleicht entgehen.«
Vida lachte rau. »Sie meinen, wenn ich Kyle Auster verpfeife?«
Biegler seufzte und wich weiter in den Gang zurück. »So was in der Art. Es kommt natürlich darauf an, welche Rolle Sie bei der ganzen Sache gespielt haben.«
Nell sah, wie der Ausdruck in den Augen ihrer Schwester sich veränderte. Dann murmelte Vida leise: »Lauf, Baby Girl, lauf!«
Nell schrie auf, doch Vida hatte bereits die Hand in der Tasche und zog ihr Feuerzeug hervor, ein blaues Bic, und hielt den Daumen an das Reibrad. Starke Arme packten Nell und zerrten sie zur Tür. Jemand kam herbeigerannt und schwang einen Revolver …
… und dann saugte ein dumpfes Brüllen alle Luft aus Nells Lunge.
Laurel saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden hinter dem Sofa und beobachtete Kyle Auster. Warren hatte seinen Senior-Partner gezwungen, sich auf das Kaminsims zu setzen, mit dem Rücken zu der in Marmor eingefassten Feuerstelle. Warren selbst ging in dem großen Zimmer auf und ab und kontrollierte in regelmäßigen Abständen die Fortschritte von Merlin’s Magic auf dem Laptop. Gott sei Dank waren die Kinder nicht nach unten gekommen. Laurel nahm an, dass das bizarre Verhalten ihres Vaters ihnen genug Angst gemacht hatte, um sich bedeckt zu halten, bis jemand kam, um sie zu holen. Es schmerzte Laurel, sich vorzustellen, wie verängstigt Beth war. Wenigstens würde Grant sie trösten. Er neckte seine Schwester zwar tagein, tagaus, doch wenn irgendetwas sie wirklich verletzte, war er augenblicklich der beschützende große Bruder.
Die Gespräche waren verstummt. Auster schien sich resignierend damit abzufinden, dass er fürs Erste hier festsaß – auch wenn Laurel zu spüren glaubte, dass er sich verstellte. Zweimal hatte sie ihn beobachtet, wie er sich verstohlen Tränen aus den Augen wischte. Warren musste es ebenfalls gesehen haben, doch wenn er sich dazu herabließ, seinen Partner anzublicken, war in seiner Miene nur Abscheu zu erkennen. Laurel rechnete mit allem. Selbst ein vergeblicher Fluchtversuch Austers würde ihr vielleicht die Gelegenheit verschaffen, das Notebook auf den Boden zu schmettern oder sogar die Kinder aus dem Haus zu schaffen.
»Warren, darf ich etwas sagen?«, fragte Auster mit unsicherer Stimme.
»Wenn es sein muss.«
»Ihr Leben lang haben Sie immer das Richtige getan. Ihr Leben lang waren Sie der goldene Junge. Doch im vergangenen Jahr haben Sie ein paar Dinge getan, die Ihnen jetzt Gewissensbisse bereiten. Dinge, von denen Sie wahrscheinlich geglaubt haben, Sie würden sie niemals tun.«
Laurel beobachtete ihren Ehemann, während sie versuchte, die Wirkung von Austers Worten abzuschätzen.
»Die Gründe dafür sind Ihre eigene Angelegenheit«, fuhr Auster fort. »Aber im Augenblick sind Sie von Schuldgefühlen überwältigt. Sie glauben, dass Sie auffliegen. Dass man Sie zur Rechenschaft ziehen wird. Dass Sie ruiniert sind. Dass Sie den Respekt all jener Patienten verlieren, die Sie für Albert Schweitzer halten. Was also tun Sie? Sie versuchen das Haus abzureißen, bevor es so weit kommt. Sie wollen der Welt beweisen, dass niemand wegen Dr. Warren Shields mehr angewidert ist als Dr. Warren Shields selbst.«
Warren schwieg.
Auster lachte spöttisch. »Glauben Sie mir, Partner, ich weiß alles über Abscheu vor sich selbst. Und ich kenne mich aus mit Beichten. Sie fühlen sich besser – ungefähr fünf Sekunden lang. Anschließend bezahlen Sie für den Rest Ihres Lebens. Wenn Sie mit dem weitermachen, was Sie jetzt tun, werden all die schlimmen Dinge Wirklichkeit, vor denen Sie sich fürchten. Ihre Patienten werden Sie nie wieder so anschauen wie zuvor. Vielleicht verlieren Sie sogar Ihre Zulassung als Arzt. Ist es das, was Sie wollen?«
Als Warren wieder nicht antwortete, deutete Auster auf Laurel. »Werfen Sie einen Blick auf Ihre Frau. Sie tyrannisieren sie, versuchen ein Geständnis aus ihr zu pressen, dass sie mit jemand anderem gevögelt hat. Und wenn es so ist? Wessen Schuld ist das? Sie wollen sich schlecht fühlen? Stellen Sie sich diese Frage. Laurel ist eine gute Frau, eine schöne Frau, und wenn sieirgendwo anders nach Liebe sucht, liegt es daran, dass Sie sich nicht um Ihre Pflichten zu
Weitere Kostenlose Bücher