12 Stunden Angst
die Hintertür beobachten. Sie warten darauf, dass ihr Pitbull eintrifft.«
»Pitbull?«
Vidas Humor verflog. »Du musst verschwinden, Baby. Auf der Stelle.«
»Aber wie willst du das Feuer anmachen, ohne dich dabei umzubringen?«
Vida grinste verschlagen. »Ich gehe zum Sicherungskasten und lege die Hauptsicherung um. Dann komme ich zurück nach oben und schalte die Computer und Kopierer ein. Ein weiterer Trip zum Sicherungskasten, die Hauptsicherung einschalten, und Rumms, der Fall ist erledigt.«
»Woher kennst du dich mit solchen Dingen aus?«
»Ich hatte mal einen Kerl, der Versicherungsjobs gemacht hat. Heißrenovierung, weißt du? Du erinnerst dich an Randy?«
Nell trat einen Schritt vor. »Aber hinten liegen noch Patienten, Vida!«, sagte sie. »Ich habe jemanden auf einer Untersuchungsliege gesehen, als ich reingekommen bin.«
»Es sind bloß zwei. Keine Sorge, ich nehme sie mit raus, wenn ich verschwinde.« Vida warf die leere Flasche achtlos zu Boden. »Ein heldenhafter Rettungsversuch lässt es noch mehr wie einen Unfall aussehen.«
»Wo sind die anderen?«
»Ich hab sie nach Hause geschickt. Ich habe ihnen erzählt, wir hätten einen Computerabsturz gehabt und könnten weder mit der Versicherung abrechnen noch die Bücher führen. Sie waren so schnell weg, du würdest es nicht glauben.«
»Und Dr. Auster?«
»Ist zu Shields gefahren, um das Zeug aus seinem Haus zu schaffen. Wie ich es versprochen hatte.«
Nell spürte einen Anflug von Dankbarkeit. »Vida … warum verschwinden wir nicht einfach von hier? Du hast doch bestimmt genug Geld beiseitegeschafft. Lass uns zusammen nach Cancún fliegen. Wir könnten uns eine Wohnung mieten und in Ruhe überlegen, wie es von dort aus weitergeht.«
Vida lächelte verträumt. »Das würde ich zu gerne, Liebes, aber ich kann nicht. Ich stecke mit Kyle unter einer Decke, und ich bleibe bis zum Ende bei ihm. Wenn wir sauber aus der Sache rauskommen, muss er bei mir bleiben.«
Nell schloss die Augen, überwältigt von Traurigkeit. »Das wird er nicht. Das weißt du doch. Sobald er das Gefühl hat, in Sicherheit zu sein, sucht er sich eine andere. Eine Jüngere, die keine Ahnung hat, was für ein Mistkerl er ist.«
Vidas Lächeln wirkte gepresst; dann verwandelte es sich unvermittelt in eine Grimasse. Nell hörte eine männliche Stimme hinter sich und drehte sich um.
In der Tür stand ein Mann mit schwarzen Haaren in einem grauen Anzug. Er sah aus wie ein Anwalt oder ein FBI-Agent – wie die Typen im Fernsehen.
»Guten Tag, Ladies«, sagte er mit einer tiefen Stimme, die nach Yankee klang. »Wo finde ich Dr. Kyle Auster?«
»Er ist nicht mehr da«, antwortete Vida. »Wir hatten Probleme mit unseren Computern. Ich glaube, er ist zu RadioShack gefahren, um Ersatzteile zu besorgen.«
Die Blicke des Mannes schweiften über die Computer und die offenen Aktenschränke. Er musste die Alkoholflaschen bemerkt haben, erwähnte sie jedoch mit keinem Wort.
»Ladies, ich möchte, dass Sie langsam zu mir kommen und diesen Raum verlassen. Ich möchte mich ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten. Bitte machen Sie auf dem Weg nach draußen keine plötzlichen Bewegungen. Im Moment schweben wir alle in großer Gefahr.«
Vida schaute ihn mit einem beinahe schelmischen Grinsen an. »Meinen Sie?«
»Treten Sie von der Wand zurück, Miss Roberts. Und bitte, kommen Sie zu mir in den Korridor.«
Vida reckte sich wie eine Katze, die gestreichelt wird. Auf irgendeine perverse Weise, so wusste Nell, war ihre Schwester stolz darauf, dass der Fremde sie mit Namen kannte.
»Sie sind Biegler«, sagte Vida. Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Ganz recht.«
»Der nervige Pitbull aus Jackson.«
Biegler gab jemandem draußen im Gang einen Wink. »Ich habe zwar noch nie gehört, dass jemand mich so genannt hat, aber ich bin sicher, dass es Leute gibt, die mich als nervig betrachten.« Er blickte Nell an. »Würden Sie bitte zu mir nach draußen in den Gang kommen, Miss?«
Nell spürte, wie sie von der Stimme des Mannes angezogen wurde. Sie klang so gelassen, so vernünftig. Er hatte überhaupt nichts von einem Pitbull an sich, wirkte eher wie ein gutmütiger Labrador. Nell ging langsam zu ihm, während sie Vida mit Blicken anflehte, ihr zu folgen.
Doch Vida ließ sich nicht überreden. Nell wurde bewusst, dass ihre Schwester längst erkannt haben musste, dass Biegler keine Waffe in der Hand hielt – und selbst wenn, hätte er sie nicht benutzen können, ohne die Bombe
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