12 - Tod Bei Vollmond
sie ein Pferd herangaloppieren. Rasch versteckte sie sich hinter einem Strauch und hob ihren Stock. Im Mondlicht konnte sie den Weg hinter sich gut einsehen und nun den schwarzen Schatten eines Pferdes ausmachen. Der Reiter hing unbeholfen am Hals des Tieres. War er von den Uí Fidgente? Hatten die ihre Flucht bemerkt und wollten sie nun abfangen, ehe sie Rath Raithlen erreichte? Ihr blieb kaum Zeit, darüber nachzudenken. Ein Pferd konnte sie gut gebrauchen.
Als sich der Reiter näherte, sprang sie schreiend wie eine bean sidh – eine Frau aus dem Feenvolk – hinter dem Busch hervor. Das Pferd bäumte sich auf und stemmte seine Vorderbeine in die Luft. Der Reiter fiel hintenüber und schlug auf dem Weg auf, wo er reglos liegenblieb. Mit hocherhobenem Stock sprang Fidelma auf ihn zu.
Der Reiter stöhnte und stieß einen sächsischen Fluch aus. Fidelma ließ ihren Stock sinken und starrte auf den Liegenden.
» Nar lige Dia! Möge Gott uns beistehen!« rief sie. »Bist du es, Eadulf?«
Eadulf stöhnte erneut und schüttelte den Kopf, den er mit beiden Händen festhielt.
»Ich glaube nicht, daß ich jemals wieder ich selbst sein werde«, stieß er hervor. »Ich bin ganz gewiß in zwei Hälften zersprungen.«
»Es tut mir leid. Ich dachte, du gehörst zu den Uí Fidgente«, rief Fidelma. Sie kniete sich nieder und wollte ihm aufhelfen.
Eadulf versuchte im Dunkeln etwas zu erkennen. Er sah Fidelmas Schatten, hörte ihre Stimme, und auf einmal begriff er, was hier vorging. Er mühte sich, auf die Beine zu kommen.
»Du bist nicht von ihnen verschleppt worden?« fragte er ungläubig und streckte eine Hand nach ihrer Wange aus.
Sie lächelte einen Moment, doch das konnte er ja nicht sehen.
»Wie du merkst, Eadulf«, erwiderte sie ein wenig streng, um ihre Erleichterung zu überspielen. »Sonst wäre ich ja nicht hier.«
»Accobrán und Menma sind mit ein paar Männern von Rath Raithlen los geritten, um die Uí Fidgente zu verfolgen«, sagte er jetzt. »Wir dachten, daß sie dich und Suanach gefangengenommen hätten.«
»Suanach haben sie gefangengenommen«, bestätigte Fidelma voller Bedauern. »Die Uí Fidgente hoffen, auf diese Weise Menma in ihre Fänge zu kriegen.«
Eadulf war inzwischen wieder völlig zu sich gekommen, spürte aber jeden seiner Knochen.
»Menma in eine Falle locken? Wieso das?« fragte er.
»Ich weiß es nicht. Doch ich habe zwei von ihnen belauschen können. Der Zweck ihres Überfalls bestand offenbar darin, von Menma etwas Bestimmtes über das Eberdickicht herauszubekommen.«
»Sonderbar, daß sie sich deshalb so weit nach Süden vorwagen. Worum mag es ihnen gehen?«
»Da bin ich überfragt, Eadulf. Meine Sorge gilt im Augenblick Suanach. Sie hat mich im Keller ihres Hauses versteckt, während sie den Uí Fidgente entgegentrat. Nur so konnte ich entkommen.«
Eadulf wurde nun sehr ernst. »Wollen wir hoffen, daß Accobrán wirklich ein so fähiger Krieger ist, wie man ihm nachsagt. Menma ist ein ausgezeichneter Fährtenleser und kann den Angreifern sicher folgen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob er das auch in der Nacht schafft. Warum bist du nicht bei ihnen?«
»Accobrán meinte, ich solle zur Festung zurückreiten und Becc warnen, denn es könnte sich ja um einen größeren Angriff auf die Cinél na Áeda handeln. Der Tanist sagte, sie hätten von Rath Raithlen aus Rauch aufsteigen sehen und Becc hätte deshalb seine Krieger losgeschickt. Niemand wußte vorher, daß es die Uí Fidgente waren.«
»Accobrán sagte …?«Fidelma ging ein Licht auf. »Dann warst du gar nicht in der Festung?«
»Ich war mit Menma am Nachmittag noch einmal in der Höhle, die dich so beschäftigt hat«, gestand Eadulf. »Wir waren gerade auf dem Rückweg zur Hütte, als wir das Feuer bemerkten. Als wir dort eintrafen, stießen wir auf Accobrán.«
»Was hast du gemacht?« fragte Fidelma völlig außer sich. »Du bist in die Höhle zurückgegangen?«
»Dir war sie doch so wichtig, daß ich dachte, ich könnte dir die Mühe ersparen. Sollte es dort irgendein Geheimnis geben, so wollte ich es herausfinden, damit du dich nicht noch einmal in Gefahr begibst.«
Schweigend verarbeitete Fidelma diese Mitteilung. »Und bist du auf etwas Besonderes gestoßen?«
»Dei gratia!« bestätigte ihr Eadulf.
»Dann mußt du mir unterwegs alles erzählen.«
Fidelma blickte sich um. Eadulfs Pferd war ein paar Meter weitergelaufen und nagte an einem Strauch am Wegesrand. Sie ging auf das Pferd zu, tastete im Dunkel
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