12 - Tod Bei Vollmond
erhobenem Messer noch einmal auf sie zu.
Doch da tauchten am Ende der Gasse zwei Wachmänner mit Schwertern in den Händen auf. Einer rief Fidelma etwas zu, während sie auf sie zurannten.
Für einen Moment schien der Angreifer verwirrt.
Das nutzte Fidelma, stellte sich seitlich zu ihm und versetzte ihm einen heftigen Fußtritt in die Genitalien. Der Mann schrie laut auf und fiel auf die Knie. Da waren auch schon die beiden Wachleute da und hielten dem Attentäter ein Schwert in den Nacken.
»Rühr dich nicht, sonst bist du tot«, sagte einer der Wachmänner.
Der andere hatte Fidelma offensichtlich erkannt. »Bist du verletzt, Lady?« fragte er.
»Nein. Doch wer ist dieser Kerl, der mir ans Leben wollte?«
Der erste Wachmann hatte dem Schurken inzwischen das Messer abgenommen. Nun zerrten ihn beide Wachmänner an den Armen ins Licht der Fackeln.
Fidelma hörte Stimmengewirr, denn jetzt kamen, von dem Lärm aufgeschreckt, die Bewohner aus ihren Häusern. Sie bemerkte Eadulf, der sich mit blassem Gesicht einen Weg durch die Menge bahnte.
»Fidelma! Ist alles in Ordnung mit dir?«
Sie nickte.
Auch Accobrán trat auf sie zu.
»Ist das der Vollmondmörder?« fragte er.
Die beiden Krieger zogen ihren Gefangenen weiter ins Licht, damit man sein Gesicht erkennen konnte.
»Brocc!«
Die Menge hielt den Atem an.
Der Tanist blickte den stämmigen Mann an, der ihn mit haßerfüllten Augen anfunkelte.
»Also bist du der Vollmondmörder? Und da hast du noch versucht, die Leute gegen die Fremden aufzuwiegeln, obwohl du wußtest, daß sie schuldlos sind!«
Brocc schaute finster in die Runde.
»Es ist wahr, daß du mich eben in der dunklen Gasse umbringen wolltest, Brocc, doch ich bezweifle, daß du der Vollmondmörder bist«, meldete sich Fidelma zu Wort.
»Du weißt, daß ich es nicht bin!« fuhr Brocc sie an.
»Warum hast du versucht, mich zu töten?«
»Weil du die wahren Mörder schützt.«
»Wie kommst du denn darauf?« fragte sie stirnrunzelnd.
»Das habe ich gleich gewußt, als du hier in Rath Raithlen auftauchtest. Ihr Nonnen und Mönche seid alle gleich und nehmt euch gegenseitig in Schutz. Es war doch klar, daß diese Fremden Escrach, Beccnat und Ballgel auf dem Gewissen haben. Ich habe gesehen, wie du sie trotzdem aufgesucht hast und freundlich zu ihnen warst. Du schützt sie, also machst du dich mitschuldig.«
Fidelma sah Brocc erstaunt an, dann wurde ihr Blick traurig.
»Wie jemand die Dinge so durcheinanderbringen kann wie du, begreife ich nicht, Brocc. Das betrübt mich sehr. Ich weiß nicht, was ich dir darauf antworten soll. Doch du sollst wissen, daß du ein schweres Verbrechen begangen hast, denn du hast versucht, eine dálaigh zu ermorden …«
»Noch schlimmer«, warf Becc ein, der nun neben ihr stand, nachdem die Menge respektvoll auseinandergetreten war, um für ihn Platz zu machen, »noch schlimmer, du hast versucht, die Schwester des Königs zu töten.«
Fidelma winkte ab. »Es ist vor allem wichtig, das Gesetz einzuhalten. Dieser Mann hat nicht nur mich angegriffen, sondern in erste Linie das Gesetz, für das ich stehe. Das ist ein schweres Verbrechen. Es gibt für Mord und versuchten Mord eine feststehende Strafe, die beläuft sich auf sieben cumal , ungeachtet des Ranges des Täters. Aber diese Sache ist weitaus schwerwiegender …«
»Weitaus schwerwiegender«, echote Brocc. Er hatte sich noch nicht ganz unter Kontrolle. »Schwerwiegender, weil du dich schuldig machst, die Wahrheit zu verschleiern und die wirklichen Täter nicht anzuklagen. Zumindest war meine Tat ein Vergehen für die Wahrheit!«
Fidelma seufzte. »Du bist damit nur deinem eigenen Vorurteil gefolgt, und das zerfrißt deine Seele, Brocc, so daß du die Wahrheit nicht mehr erkennen kannst. Das schwerste Verbrechen ist das Töten eines anderen Menschen. In manchen Ländern bezeichnet man es als gerecht, den Mörder dafür an den Galgen zu bringen. Auch Christen treten immer häufiger für eine Vergeltung ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹ ein. Doch wir sind ein altes und weises Volk. Wir gestehen einem Mörder zu, eine Entschädigung zu zahlen und seinen Ruf wiederherzustellen. Unser altes Rechtssystem sagt aber, daß erst Beweise gegen eine Person erbracht werden müssen, ehe sie in aller Öffentlichkeit Stellung nehmen und etwas gegen die Beweise vorbringen darf. Erst wenn die Beweislast groß genug ist, wird die Person verurteilt.
Man hat mich hergerufen, um diese Beweise zusammenzutragen, und das habe ich
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