12 - Tod Bei Vollmond
legen.
Fidelma lehnte sich zurück.
»Ich werde mit der Goldmine anfangen«, sagte sie nachdenklich.
»Mit der Goldmine? Wer ist denn dein Hauptverdächtiger für die Morde an den Mädchen?«
Als sie ihm den Namen nannte, holte Eadulf erstaunt Luft.
»Ich hoffe, daß du das auch beweisen kannst«, flüsterte er zweifelnd. »Falls dir das nicht gelingt, könnte es für uns morgen ziemlich schlecht ausgehen.«
Fidelma erklärte ihm langsam, wie sie am morgigen Gerichtstag vorgehen wolle.
K APITEL 18
Die Halle von Becc, dem Fürsten der Cinél na Áeda, war so voll, daß die Honoratioren gerade noch Platz fanden. Es hatten sich so viele zu der Beweisführung der berühmten dálaigh aus Cashel eingefunden, daß Beccs Wachmänner die Menge an der Tür zurückhalten mußten. Becc thronte auf seinem Amtssessel, der, wie bei solchen Anlässen üblich, auf einem hölzernen Podest am Ende der Halle stand. Fidelma saß zu seiner Rechten ebenfalls auf dem Podest. Hinter ihr befand sich Eadulfs Stuhl. Accobrán, der Tanist, stand links hinter dem Fürsten. Links neben dem Fürsten saß Abt Brogán als höchster Kirchenmann der Cinél na Áeda, neben ihm sein Verwalter, Bruder Solam.
Ihnen gegenüber hatte in der ersten Reihe eine kleine Gruppe von niederen Stammesfürsten und Mönchen Platz genommen. Auf Fidelmas Bitten hin saßen auch die drei Aksumiter dort. Hinter ihnen erblickte man den großen, dunkelgesichtigen Kriegsfürsten der Uí Fidgente, Conrí den Wolfskönig, und zwei seiner Krieger. Sie waren am Vormittag mit der Parlamentärflagge in die Festung eingeritten, wußten sie doch, daß sie unter Fidelmas Schutz standen und nicht um Leib und Leben fürchten mußten. Fidelma hatte Adag befohlen, dafür zu sorgen, daß Accobrán und seine Krieger auf Abstand gehalten wurden. Dennoch betrachtete jeder die Uí Fidgente mit mißtrauischen, drohenden Blicken, und sie wirkten etwas verunsichert.
Als Fidelma sich umschaute, stellte sie fest, daß alle, die sie dazu aufgefordert hatte, auch wirklich anwesend waren. Sogar Liag war erschienen, nachdem Menma ihn dazu überredet hatte. Menma und Suanach saßen neben ihm. Mit mürrischer Miene wie immer war auch Gobnuid anwesend. Er hatte sich neben Seachlann, dem Müller, niedergelassen. Seachlanns Bruder Brocc war aus seiner Zelle geholt worden und stand nun, von zwei Kriegern bewacht, seitlich an einer Wand. Auch Goll und seine Familie waren gekommen. Tómma und Creoda, die beiden Gerbergehilfen, sah man mit dem Koch Sirin in einer Ecke. Ganz Rath Raithlen hatte sich auf den Weg gemacht, um an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen.
Nun trat Adag, der Verwalter, nach vorn und bat um Aufmerksamkeit und Ruhe, was sich eigentlich erübrigte. Er schaute zu seinem Fürsten, der nun Fidelma zunickte. Sie erhob sich und ließ ihre Blicke nachdenklich über die Versammelten schweifen. Dann begann sie langsam zu sprechen. Bedächtig wählte sie ihre Worte.
»Ich wurde in das Land der Cinél na Áeda gerufen und bin hier auf das Böse gestoßen. Was ist das Böse?« Sie machte eine Pause, als erwartete sie eine Antwort. »Schon seit vielen Generationen streiten sich die Philosophen über Begriff und Inhalt des Bösen. Das Böse liegt darin, anderen Menschen Schaden, körperliche oder seelische Gewalt, Qualen oder Schmerzen zuzufügen oder es zu beabsichtigen. Es ist die Antithese zu Gott. Und doch hat mein Mentor Brehon Morann einmal gesagt, wenn wir versuchen würden, das Böse ganz aus der Welt zu schaffen, so könnten wir nur wenig über die Natur unseres Seins erfahren. Jene, die Böses tun, sind häufig davon überzeugt daß das ehrenhaft und notwendig ist. Wir können das Böse nicht genau beschreiben, solange wir nicht unser aller Tun an den gleichen moralischen Grundsätzen ausrichten. Und so müssen wir akzeptieren, daß das Böse ein natürlicher Bestandteil unserer Welt ist.«
Unruhe kam unter den Anwesenden auf. Sie scharrten mit den Füßen, denn die meisten begriffen nicht, was die dálaigh sagen wollte.
»Wenn wir eine Predigt gewollt hätten, Schwester, wären wir in die Kirche gegangen«, rief Brocc, der trotz seiner Fesseln und der beiden Wachmänner aggressiv und ungestüm wie immer wirkte. Da traf ihn der Hieb eines seiner Bewacher in die Seite, und er schwieg.
Fidelma fühlte sich unverstanden, dennoch fuhr sie fort: »Selbst die Kirche ist nicht der alleinige Hüter des Guten. Dort stößt man ebenso auf das Böse wie unter jenen, die nicht dem neuen
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