12 - Tod Bei Vollmond
etwas Geheimnisvolles sehen, so verlaß dich nicht nur auf sie, wenn du es zu verstehen suchst.«
Eadulf warf ihr ein skeptisches Lächeln zu. »Das Herz sieht eher als der Kopf?«
»Genau so ist es. Diesen vertrackten Fall werden wir auch lösen.«
Als sie schließlich die Tore von Rath Raithlen erreichten, war es schon finster. Sobald sie auf dem Hof waren, kam ein Stallbursche auf sie zugerannt, der sich um ihre Pferde kümmerte. In der Festung herrschte geschäftiges Treiben. Brandfackeln wurden angezündet, um ihnen Licht zu machen. Becc tauchte an der Tür seiner Halle auf und begrüßte sie.
»Ich freue mich, dich wieder in Sicherheit zu sehen, Fidelma. Accobrán hatte befürchtet, du wärest allein unterwegs.«
»Eadulf war bei mir«, erwiderte sie kurz und blickte sich um. »Was herrscht hier für eine Aufregung? Wo ist der Tanist?«
»Fort«, entgegnete Becc zufrieden. »Er ist auf der Jagd nach Lesrens Mörder.«
K APITEL 12
Fidelma starrte den Fürsten der Cinél na Áeda an, als hätte sie ihn nicht verstanden.
»Lesrens Mörder? Heißt das etwa, daß man weiß, wer der Mörder ist?«
»Vor kurzem kam ein Bauer in die Festung und erzählte, er hätte Gabrán auf der Landstraße getroffen. Der Bursche war auf dem Weg zur Küste und vertraute ihm an, daß er sich auf einem Schiff anheuern lassen wolle.«
Fidelma schaute zu Eadulf, sie wirkte überrascht und verärgert zugleich.
»Hat der Bauer noch mehr gesagt?« fragte sie dann Becc.
Der nickte. »Gabrán hat so gut wie zugegeben, vor der Gerichtsbarkeit auf der Flucht zu sein. Accobrán hat ein paar Krieger mitgenommen und reitet zur Straße, die zur Küste führt. Bald werden sie ihn eingeholt haben und zurückbringen. Dann kann ihm der Prozeß gemacht werden. Zumindest einen Mord haben wir also geklärt. Vielleicht ist Gabrán auch der Schlüssel zur Lösung der anderen Mordfälle. Möglicherweise hatte Lesren doch recht?«
»Gabrán mag dumm sein«, erwiderte Fidelma aufgebracht, »aber wenn er fortrennt, heißt das nicht gleich, daß er ein Mörder ist.«
Becc sah sie erstaunt an. »Allein die Tatsache, daß er sich aus dem Staub macht, ist doch ein Eingeständnis seiner Schuld.«
»Ziemlich töricht ist das, doch keineswegs ein Eingeständnis von Schuld«, entgegnete Fidelma. »Es kann auch bedeuten, daß er einfach nur Angst hat. Sag mir sofort Bescheid, wenn Accobrán wieder zurück ist.«
Sie winkte Eadulf zu, ihr zu ihren Räumen zu folgen. Dort schloß sie fest die Tür; nun waren sie ungestört.
»Dieser dumme Junge!« brach es aus ihr heraus. Sie war sichtlich wütend.
»Glaubst du denn wirklich, daß er unschuldig ist?« fragte Eadulf.
»Ich fürchte für das Leben des Jungen«, sagte sie ruhig. »Denk an die Feindschaft zwischen ihm und Accobrán.«
»Aber daran ist doch Gabrán selbst schuld«, erwiderte Eadulf. »Es war schließlich nur eine einfältige Vermutung, daß Accobrán seine Verlobte verführen wollte.«
Fidelma schwieg eine Weile, dann sagte sie versöhnlich: »Hoffen wir, daß die beiden unversehrt zurückkehren.«
Bis sie sich schlafen legten, hörten sie nichts Neues in der Angelegenheit.
Am nächsten Tag, das graue Oktoberlicht fiel durch die Fenster, war Fidelma schon früh bei ihrer Morgentoilette. In der Ferne hörte sie eine Glocke, die vermutlich von der Abtei des heiligen Finnbarr herüberklang. Als sie die Küche von Beccs Haupthaus betrat, wo sie gewöhnlich ihre erste Mahlzeit einnahmen, wurde sie von Eadulf begrüßt, der bereits vor ihr aufgestanden war.
Als sie gerade ihr Frühstück beendet hatten, trat Becc mit besorgtem Blick ein.
»Accobrán kam mitten in der Nacht zurück«, verkündete er ohne Umschweife. »Er hat Gabrán überwältigt.«
Fidelma erschrak.
»Ich hatte dich gebeten, mir gleich Bescheid zu geben, wenn Accobrán zurückkehrt«, sagte sie vorwurfsvoll. »Lebt Gabrán?«
Ihr scharfer Tonfall überraschte den Fürsten.
»Accobrán hat ihn hergebracht, damit ihm der Prozeß gemacht wird, Cousine, er will ihn nicht selbst hinrichten«, erwiderte er.
»Also geht es Gabrán gut?« fragte sie noch einmal.
»Vielleicht hat er ein paar blaue Flecken, aber er hätte sich nicht gegen seine Gefangennahme wehren sollen.«
»Nein, das hätte er nicht – wo er doch unschuldig ist an Lesrens Tod.«
»Das wirst du beweisen müssen«, sagte Becc verärgert.
»Das werde ich tun«, erwiderte Fidelma. Sie wollte sich erheben, ließ es dann aber sein. Immer noch war die Glocke zu
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