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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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keinen Ton davon gesagt - Simon, warum benimmst du dich so? Hör auf damit. Lass mich los. Du tust mir weh.« Sie riss sich los und blieb einen Moment mit brennenden Wangen vor ihm stehen. Dann wandte sie sich ab und schlug den Fußweg ein, der den Garten umrundete, obwohl er nur an der Mauer entlanglief und nirgendwohin führte. Regenwasser stand in schwarzen Pfützen, in denen sich ein rasch dunkel werdender Himmel spiegelte. Deborah marschierte durch sie hindurch, ohne Rücksicht darauf, dass sie sich die Beine von oben bis unten nassspritzte.
    St. James lief ihr nach. Es machte ihn wütend, dass sie ihn einfach so stehen gelassen hatte. Sie schien eine völlig andere zu sein, und er war nicht bereit, das hinzunehmen. Wenn es zu einem Wettrennen kam, würde sie natürlich siegen. Wenn es zu etwas anderem als einem verbalen und intellektuellen Kräftemessen kam, würde sie ebenfalls siegen. Das war der Fluch seiner körperlichen Behinderung; sie machte ihn seiner Frau physisch unterlegen. Auch das ärgerte ihn, vor allem, als er sich vorstellte, was für ein Bild sie einem unbeteiligten Beobachter von der Straße oberhalb der Grünanlage bieten mussten: Sie entfernte sich sicheren Schritts immer weiter von ihm, und er humpelte wie ein Straßenbettler hinter ihr her.
    Sie erreichte das Ende des kleinen Parks und blieb dort in der Ecke stehen, wo ein Feuerdorn seine von roten Beeren schweren Zweige über eine Holzbank neigte. Sie setzte sich nicht. Sie blieb neben der Bank stehen, riss eine Hand voll Beeren von dem Strauch und begann diese achtlos ins Gebüsch zu werfen.
    Das Kindische dieses Verhaltens machte ihn noch zorniger. Er fühlte sich zurückversetzt in eine Zeit, als er mit dreiundzwanzig Jahren der Zwölfjährigen, die wegen eines Haarschnitts, der ihr nicht gefiel, getobt hatte, die Schere entwand, bevor sie ihr Haar noch mehr verunstalten, sich selbst verunstalten und so dafür bestrafen konnte, dass sie geglaubt hatte, ein Haarschnitt würde etwas daran ändern, wie sie sich mit den Pickeln auf dem Kinn fühlte, die über Nacht gesprossen waren, Brandmale ihrer Veränderung. »Ja, ja, unsere Deb hält uns ganz schön auf Trab«, hatte ihr Vater gesagt. »Da fehlt die Mutter.« Die er ihr nie gegeben hatte.
    Wie bequem es wäre, dachte St. James, einfach Joseph Cotter an allem die Schuld zu geben, sich zu sagen, dass er und Deborah an diesem Punkt in ihrer Ehe angelangt waren, weil ihr Vater Witwer geblieben war. Das würde es leichter machen, ja. Er würde nicht weiter nach einer Erklärung dafür zu suchen brauchen, warum Deborah sich so unglaublich benommen hatte.
    Er erreichte sie endlich und sagte unüberlegt das Erste, was ihm in den Kopf kam. »Lauf ja nie wieder vor mir weg, Deborah.«
    Mit einer Hand voll Beeren in der Faust wirbelte sie herum. »Und wag du ja nicht. Sprich nie wieder in diesem Ton mit mir!«
    Er versuchte, sich zu beruhigen. Er wusste, dass diese Erwiderung nur in einem Streit eskalieren würde, wenn nicht einer von ihnen etwas tat, um seine Ruhe wiederzufinden. Er wusste auch, wie unwahrscheinlich es war, dass Deborah zurückstecken würde. Er sagte, so milde er konnte, was zugegebenermaßen nur geringfügig weniger kämpferisch war als zuvor: »Ich möchte eine Erklärung.«
    »Ach, die möchtest du, hm? Tja, entschuldige, wenn mir gerade nicht danach ist, dir eine zu geben.« Sie schleuderte die Beeren auf den Weg.
    Wie einen Fehdehandschuh, dachte er. Wenn er ihn aufnahm, würde es Krieg geben. Aber diesen Krieg wollte er nicht, so ärgerlich er war. Er war immerhin noch so vernünftig, um zu erkennen, dass ein Kampf bis aufs Messer sinnlos war. »Der Ring ist ein Beweismittel«, sagte er. »Ein Beweismittel gehört in die Hand der Polizei. Wenn es nicht direkt an sie geht -«
    »Als ob jedes Beweisstück direkt bei der Polizei landet«, fiel sie ihm ins Wort. »Du weißt genau, dass es nicht so ist. Es passiert doch oft genug, dass die Polizei Beweise ausgräbt, von denen kein Mensch wusste, dass es Beweise waren. Sie haben ein halbes Dutzend Zwischenstationen durchlaufen, ehe sie endlich bei der Polizei ankommen. Das weißt du doch, Simon.«
    »Das gibt aber niemandem das Recht, selbst Zwischenstationen zu schaffen«, konterte er. »Wo warst du mit dem Ring?«
    »Ist das ein Verhör? Merkst du eigentlich, wie du mit mir redest? Interessiert es dich überhaupt?«
    »Mich interessiert im Moment, dass ein Beweisstück, von dem ich annahm, es befände sich bei Le Gallez,

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