12 - Wer die Wahrheit sucht
Sonne funkelte. Er schaltete den Apparat ab und kehrte zu seinem Sessel zurück. Er sah seine Schwester nicht an. Und auch Deborah nicht.
Als wäre sein Verhalten ein Kommentar zu seinem Schweigen, rief China: »Ja, okay, ich weiß, das war blöd. Es hält die Sache zwischen uns nur am Laufen, weil es eine Antwort in irgendeiner Form von ihm fordert. Das weiß ich, verdammt noch mal. Ich weiß, dass es blöd ist. Aber ich wollte es trotzdem tun. So einfach ist das. Oder war es, als ich das Ding sah. Ich hab's gekauft, und basta.«
»Was hast du mit dem Ring gemacht?«, fragte Deborah. »An dem Tag, an dem du ihn gekauft hast.«
»Wie meinst du das?«
»Haben sie ihn dir in ein Tütchen gepackt? Hast du die Tüte in eine andere Tüte gesteckt? Oder in deine Tasche? Wie ist es weitergegangen?«
China dachte über die Fragen nach. Cherokee blickte von der Betrachtung seiner Schuhe auf. Er schien zu erkennen, worauf Deborah hinauswollte, denn er sagte: »Versuch, dich zu erinnern, Chine.« »Ich weiß nicht. Ich hab ihn wahrscheinlich in meine Handtasche gestopft«, sagte sie. »Das mach ich meistens, wenn ich was Kleines kaufe.«
»Und später? Als du wieder in Le Reposoir warst? Was hast du da mit dem Ring getan?«
»Wahrscheinlich... Ich weiß nicht. Wenn er in meiner Handtasche war, hätte ich ihn wahrscheinlich drin gelassen und vergessen. Ich könnte ihn auch in meinen Koffer gelegt haben. Oder auf den Toilettentisch, bis zur Abreise.«
»Wo jemand ihn bemerkt haben könnte«, murmelte Deborah.
»Wenn es überhaupt derselbe Ring ist«, sagte Cherokee.
Richtig, dachte Deborah. Wenn der Ring auf ihrer Hand nur ein Doppelgänger des Rings war, den China gekauft hatte, dann hatten sie es hier mit einem erstaunlichen Zufall zu tun. Aber so unglaublich dieser Zufall sein mochte, die Frage, ob oder nicht, musste geklärt werden, bevor sie weitermachen konnten. Sie sagte: »Hast du den Ring vor eurer Abreise eingepackt? Ist er jetzt bei deinen Sachen? In irgendeinem Winkel vielleicht, wo du ihn vergessen hast?«
China lächelte beinahe ironisch. »Ich habe keine Ahnung, Debs. Meine Sachen liegen alle bei der Polizei. Wenn ich den Ring eingepackt habe, dann ist er dort.«
»Das müssen wir also nachprüfen«, sagte Deborah.
Cherokee wies mit einem Nicken auf den Ring in Deborahs Hand. »Und was geschieht mit dem?«
»Der kommt zur Polizei.«
»Was machen die damit?«
»Ich nehme an, sie werden nach latenten Fingerabdrücken suchen. Vielleicht schaffen sie's sogar, einen Teilabdruck zu sichern.«
»Und was heißt das? Ich meine, wenn der Abdruck von Chine stammt. wenn es derselbe Ring ist. Werden die dann merken, dass jemand anderer ihn da hingelegt hat?«
»Sie werden es vielleicht in Betracht ziehen«, antwortete Deborah. Sie sagte nicht, wie ihres Wissens nach die Situation normalerweise aussah: Das Interesse der Polizei erschöpfte sich meist darin, Schuld festzustellen und den Fall abzuschließen. Alles Weitere überließen sie anderen. Wenn sich unter Chinas Sachen kein zweiter Ring wie dieser fand, und wenn dieser, den Deborah in der Bucht gefunden hatte, ihre Fingerabdrücke aufwies, brauchte die Polizei nicht mehr zu tun, als diese Fakten zu Protokoll zu nehmen und an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Es wäre Sache von Chinas Anwalt, bei Gericht eine andere Interpretation dieses Beweisstücks vorzutragen, wenn ihr der Prozess wegen Mordes gemacht wurde.
»Debs«, sagte Cherokee in nachdenklichem Ton und zog ihren Spitznamen dabei so in die Länge, dass er wie ein Flehen klang. »Gibt es eine Möglichkeit...« Er sah seine Schwester an, als wollte er die Reaktion auf etwas einschätzen, was er noch gar nicht gesagt hatte. »Es fällt mir total schwer, das zu fragen. Könntest du den Ring nicht irgendwie verlieren?«
»Verlieren...?«
China sagte: »Nein, Cherokee, nicht -«
»Ich kann nicht anders«, erwiderte er. »Debs, wenn das hier der Ring ist, den Chine gekauft hat... Und wir wissen, dass das möglich ist, nicht wahr?... Ich meine, warum müssen denn die Bullen überhaupt wissen, dass du ihn gefunden hast? Kannst du ihn nicht einfach in einen Gully werfen oder so was?« Er schien sich der Ungeheuerlichkeit seines Verlangens bewusst zu werden, denn er fügte hastig hinzu: »Die Bullen glauben doch sowieso schon, dass sie es getan hat. Wenn sie jetzt noch ihre Abdrücke auf dem Ring finden, werden sie das nur dazu benutzen, sie endgültig festzunageln. Aber wenn du ihn verlierst - wenn
Weitere Kostenlose Bücher