1202 - So enden sie alle
Licht sehr hell. Die Wände hatte jemand bunt bemalt. Alle Zeichnungen stammten von Kinderhand. Ich warf ihnen kaum einen Blick zu, denn für mich war die Glastür am anderen Ende wichtig, denn durch sie konnte ich einen Blick in das Labor werfen, das ebenfalls hell erleuchtet war.
Wir betraten es. Für mich war es eine fremde Welt. Ich sah mir all die Geräte mit einem flüchtigen Blick an, ohne zu wissen, wozu sie eingesetzt wurden.
In der Mitte des Raumes stand ein ziemlich breiter, aus Kunststoff und Metall hergestellter Labortisch, der vom Licht der beiden Leuchtstoffröhren an der Decke grell angestrahlt wurde. Auf der Arbeitsfläche sah ich Gläser und Kolben.
Manche mit Flüssigkeiten gefüllt, andere leer. Größere Glasgefäße enthielten in eine Lösung eingelegte Vogelkörper.
Vogelskelette sah ich in einem Glaskasten, der an der Wand hing. Apparate für Messungen waren ebenso vorhanden, wie Zentrifugen und Trockenschränke. Auch die Behälter für Nährlösungen waren nicht vergessen worden, und in der Ecke stand ein kleiner Schreibtisch.
Für mich stand fest, dass hier die Experimente vorbereitet worden waren. Als ich Shirley Cannon anschaute, verzogen sich ihre Lippen zu einem dünnen Lächeln.
»Erstaunt?«
»Nein, nicht mehr.«
»Hier sind wir unserem Ziel näher gekommen, Sinclair.«
»Welchem Ziel?«
»Der Erschaffung einer neuen Kreatur. Weg von den normalen Menschen und hin zu dem, was ein Traum der Menschen ist. Endlich aus eigener Kraft fliegen zu können. Dafür wurde diese Firma gegründet. Deshalb lief die Aktion Ikarus an, und deshalb haben wir die Windjäger geschaffen.«
»Windjäger«, wiederholte ich.
»Welch ein Begriff!«
»Uns hat er gefallen«, erklärte die Frau.
»Professor Elax ist ein Genie. Er hat es nicht nur geschafft, einen großen Schritt weiterzukommen, nein, es ist ihm auch gelungen, die nötigen Mittel aufzutreiben, um seine Forschungen zu finanzieren. Denn auch diesen Punkt darf man nicht aus den Augen lassen.«
»Das glaube ich Ihnen glatt. Aber wer steckt dahinter?«
»Menschen mit Einfluss.«
»Firmen?«
»Ja. Offiziell dürfen sie sich nicht zu diesen Forschungen bekennen, aber es gibt noch immer einen zweiten Weg. Und den haben wir eingeschlagen. Ich kann Ihnen sagen, dass der Professor eines der wenigen Genies ist, die es auf der Welt gibt.«
Ich nickte. »Kann ich mir denken. Genie und Wahnsinn liegen ja immer dicht beisammen. Das ist mir schon öfter begegnet. So ist das hier nur bedingt neu für mich.«
»Trotzdem ist es einmalig.«
»Mag sein.«
»Man wird uns nicht aufhalten können, Sinclair. Auch Sie nicht. Niemandem ist es gelungen, die Forschung aufzuhalten. Man kann ihr wohl ein Bein stellen, doch sie wird sich immer wieder aufrichten. Das ist unser Plus, denn die Zeit steht auf unserer Seite.«
»Ja, das bestreite ich auch nicht. Aber wie haben Sie das hier gemacht?«
Das schien die Frage gewesen zu sein, auf die Shirley Cannon gewartet hatte. Ihre Miene veränderte sich. Sie wurde weicher.
In ihre Augen trat ein selbstzufriedener Ausdruck. »Wir haben den Spieß umgedreht und alles vergessen, was eigentlich bekannt war. Wir experimentierten nicht mit winzigen Mengen einer Vogel-DNA, sondern nahmen große Mengen von Vogelchromosonen verschiedener Tiere. Die verschmolzen wir dann mit denen unserer menschlichen Objekte, und es hat tatsächlich bei Carlotta geklappt.«
»Ja…?«
»Hören Sie auf, zu zweifeln. Ja der Professor erreichte eine neue Kombination der DNS-Stränge. Gene wurden ausgetauscht. Es kam zu den Zellteilungen. Das ging bei Carlotta fast rasend schnell und hat uns überrascht. Wir konnten kaum glauben, dass Carlotta trotz allem lebensfähig war, als sie sich zu einem Vogel-Menschen verändert hat.«
Ich atmete tief durch. »Und was ist mit den anderen Kindern?«, fragte ich.
Sie senkte den Blick. »Da müssen wir leider noch forschen. Sie war eine Ausnahme, aber ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass das Schaffen eines anderen Lebens jede Mühe und auch jedes Opfer wert ist.«
»Wobei Sie selbst vor Mord nicht zurückschrecken.«
»Sehen Sie das mal anders. Opfer hat es immer wieder gegeben. Ohne Opfer kein Fortschritt. Das ist nun mal so. Ob Sie sich nun damit abfinden können oder nicht.«
Solche und ähnliche Worte kannte ich. Innerlich kochte ich.
Ich konnte nicht vermeiden, dass ich im Gesicht hochrot anlief, worüber sich mein Gegenüber amüsierte. Am liebsten hätte ich alles in diesem
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