1202 - So enden sie alle
verdammten Labor zusammengeschlagen, doch ich riss mich zusammen und kam wieder auf das Thema zu sprechen, was mich interessierte.
»Wo befinden sich die anderen Kinder?«
»Sie wollen Sie sehen?«
»Und ob.«
»Vielleicht schlafen sie.«
»Reden Sie keinen Unsinn.«
»Bitte, wie Sie wollen. Ich hätte Ihnen gern noch etwas über unsere Arbeit berichtet und Ihnen erklärt…«
»Danke es reicht. Mich interessiert mehr die Praxis. Ich bin ergebnisorientiert.«
»Das sind wir wohl alle.«
»Obwohl es Unterschiede gibt und ich es gewohnt bin, mich an gewisse Regeln der Moral und Ethik zu halten. Damit bin ich bisher noch immer gut gefahren.«
»Jeder muss mit sich selbst zurechtkommen«, erklärte sie.
»Aber Sie können die Kinder gleich sehen. Wundern Sie sich nicht darüber, wie glücklich sie sind.«
»Haben Sie ihnen Drogen verabreicht?«
Shirley Cannon sah aus, als wollte sie mir vor die Füße spucken.
»Das haben wir nicht nötig!«, presste sie hervor.
»Was meinen Sie denn, aus welchen Verhältnissen die Kinder gekommen sind! Da können Sie nur den Kopf schütteln. Für alle war es die Hölle. Hier lernen sie den Himmel.«
»Schon gut. Diesen Himmel kenne ich.«
Sie sagte nichts mehr. Durch eine Seitentür verließen wir das Labor und gelangten abermals in eine andere Umgebung. Es war keine moderne Folterkammer, kein OP oder Arztzimmer, nein, ich hatte beim ersten Hinschauen das Gefühl, mich in einem kindgerechten Spielraum aufzuhalten. Hier gab es alles, vom normalen Holzspielzeug, bis hin über die kleinen Plastikmonster aus Japan. Ich sah Puppen, Eisenbahnen, ein Klettergerüst, kleine Häuser zum selbst bauen, Bälle, einen Flipper, auch einen Kicker-Apparat und natürlich eine Glotze, die hoch oben zwischen Wand und Decke angebracht worden war.
Keine kahlen oder nackten Wände.
Diese hier waren bemalt worden. Auf ihnen herrschte ewiger Frühling. Eine Sommerwiese mit Wald im Hintergrund. Mein Blick fiel auf einen gemalten Bach, und es fehlte nur noch der Frühlingsgeruch und das Zwitschern der Vögel im Hintergrund, dann wäre die Idylle perfekt gewesen. Natürlich fehlten auch die Luftballons nicht. Sie hingen an der Decke und waren wegen der daran befestigten Bänder mühelos zu greifen.
Dr. Cannon war in der Mitte des Raumes stehen geblieben.
Sie ragte wie ein Turm aus den herumliegenden Bauklötzen hervor. Ihr Gesicht zeigte ein breites Lächeln, doch die Augen blieben kalt, als sie mich ansprach.
»Wollen Sie jetzt noch behaupten, Sinclair, dass es den Kindern hier schlecht geht?«
»Sie können mich mit Ihrer Tarnung nicht einlullen. Ich weiß, was dahinter steckt.«
»Hören Sie mir damit auf. Sie haben Carlotta gesehen. Mal ehrlich. Wie ging es ihr? Schlecht? Mies? Haben Sie vielleicht Folterspuren an ihrem Körper gesehen?«
»Das nicht.«
»Was beschweren Sie sich dann?«
Die Frau packte es einfach nicht. Sie war zu verbohrt. Da nutzte auch all ihre Intelligenz nichts. »Carlotta hatte Angst, große Angst«, erklärte ich. »Sie ist aus diesem scheinbaren Paradies geflohen, und sicherlich nicht grundlos. Vielleicht hat die Veränderung bei ihr auch für ein anderes Denken gesorgt. Jedenfalls wollte sie die Freiheit haben. Aber Sie oder der Professor haben ihr einen Killer nachgeschickt, um sie zu töten. Und ich will Carlotta sehen, verstehen Sie? Wiedersehen. Und zwar unverletzt.«
Wieder sah die Cannon so überheblich aus, als wäre sie der absolute Mittelpunkt, in dem sich alles Wissen vereinigte.
»Was reden Sie denn da! Niemand hätte Carlotta ein Leid angetan.«
»Was ist mit dem Killer?«
»Ja, er ist ihr gefolgt. Warum soll ich das nicht zugeben? Aber aus einem anderen Grund. Babur sollte sie zurückholen. Nicht mehr und nicht weniger. Die Zeit für eine Präsentation ist noch nicht reif gewesen. Wir müssen noch einige Tests durchführen und Carlotta unter anderem auf die Welt draußen vorbereiten. Dass wir ihr Babur nachgeschickt haben, ist für sie mehr ein Schutz gewesen. Ich weiß, wovon ich rede.«
»Ich auch.«
»Wer glaubt das schon?«
»Ihr Killer wäre auch über die Leichen anderer Menschen gegangen. Er hätte selbst vor einem Kind nicht gestoppt. Deshalb können Sie mir erzählen, was Sie wollen, ich glaube Ihnen kein Wort. Und jetzt will ich die anderen Kinder sehen.«
»Sehr gern.«
Ich glaubte ihr nicht, dass sie es gern tun würde. Ihr blieb nur keine andere Möglichkeit. Vermutlich hoffte sie darauf, von Babur und Elax Hilfe zu
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