1208 - Leichenwelten
Ausstellung, die für uns von großer Wichtigkeit sein kann.«
»Ich höre, John.«
»Leichenwelten«, sagte ich.
Glenda räusperte sich. »Bitte, kannst du das wiederholen?«
»Leichenwelten. So heißt die Ausstellung.«
»Da werden also Leichen ausgestellt. John, ich bitte dich…«
»Nein«, unterbrach ich sie, »so ist das nicht. Dort werden keine Leichen ausgestellt, sondern nur Fotos, auf denen wahrscheinlich Leichen zu sehen sind. Ich selbst bin nicht in der Ausstellung gewesen, denke allerdings daran, sie mir anzuschauen.«
»Gehört habe ich davon nichts.«
»Aber du könntest trotzdem herausfinden, wo sie stattfindet. Wir warten.«
»Ich erreiche dich über Handy?«
»Ja.«
Moses King stöhnte leise auf. »Hoffentlich habe ich Sie beide nicht auf eine falsche Spur gebracht. Ich musste mich ja auch auf die Aussagen des alten Mannes verlassen. Aber als er diesen Mann beschrieb, der ganz in Weiß gekleidet war, da erinnerte ich mich tatsächlich an das Foto des Künstlers, das ich in der Zeitung und auch in der Reklame für die Ausstellung gesehen habe. Mehr kann ich leider nicht dazu sagen. Ich hoffe, dass es tatsächlich eine Spur ist.«
»Er stellt Fotografien mit Toten aus«, meinte Suko. »Wir hatten es jedoch mit einem Zombie zu tun.«
»Was heißt das? Er kann sich ja in beiden Extremen versuchen. Tot untot. Manchmal ist die Entfernung dazwischen nicht unbedingt sehr groß.«
Wir kamen nicht weiter und mussten abwarten, bis Glenda Perkins anrief. Auf unsere Assistentin konnten wir uns verlassen.
Wenn es sein musste, war sie verdammt fix.
Und tatsächlich meldete sich bei mir das Handy.
»Hi, hast du was herausgefunden?«
»Ja…«, hörte ich sie gedehnt sagen. »Wenn du mich nicht hättest. Du hast ins Schwarze getroffen. Es gibt diese Ausstellung tatsächlich. Du kannst sie in der Kunsthalle besichtigen. Und der große Künstler selbst ist auch anwesend. Er heißt Aristide Goya.« Sie lachte. »Das ist ein Name, wie? Anders als…«
»Ja, ja, ich weiß schon, was du sagen willst. Wenn dich der Name so anmacht, hast du wenigstens mehr über diesen Fotografen herausgefunden?«
»Nein. Was hätte ich denn herausfinden sollen?«
»Wie er aussieht, zum Beispiel. Wie er sich kleidet.«
»Bei dir hängt wohl der Hammer schräg. Komm mir nicht mit so etwas. Du weißt jedenfalls Bescheid.«
»Dafür bin ich dir auch dankbar. Bis später dann.«
Bevor sich Glenda noch genauer nach dem Fall erkundigen konnte, hatte ich die Verbindung unterbrochen.
Suko hatte bereits die Rechnung beglichen. Er kehrte von der Theke zurück. »Auf zu den Leichenwelten?«
»Du sagst es, Alter…«
***
Jane Collins war völlig perplex. Sie schaute auf den Mann, der ihr gegenübersaß und seinen Hut jetzt in der Hand hielt. So konnte sie seinen gesamten Kopf erkennen, der vom Kinn her bis zur Hälfte der Stirn normal aussah, weiter oben aber nicht, denn da wirkte er wie ein abstraktes Gebilde, weil statt des normalen Kopfes nur das Gehirn zu sehen war.
Jane sagte nichts. Sie konnte in diesen Augenblicken nur starren und den Atem anhalten. Das Bild war einfach zu schlimm. Grauenhaft, schrecklich, so real und trotzdem auch irreal, fast schon lächerlich.
Aber Jane wusste auch, dass dieser Mensch keine Comic-Figur war. Er lebte trotz seines Aussehens, obwohl er keine Haare besaß und damit auch nicht das obere Drittel seines Kopfes.
Er verzog die weichen Lippen und zeigte der Detektivin ein Lächeln.
So wie er aussah, kostete er seine Lage weidlich aus.
Er weidete sich an ihrem Aussehen, ihrem Entsetzen, das auch eine Frau wie Jane nicht unter Kontrolle halten konnte.
Sie war plötzlich bewegungslos geworden. Mit dieser Überraschung hatte sie nicht gerechnet, und erst ganz allmählich lösten sich die Gedanken aus der Starre, sodass sie wieder in der Lage war, über einige Dinge nachzudenken.
So ganz fremd kam ihr dieser Anblick nicht vor. Die Detektivin erinnerte sich daran, dass sie zusammen mit Lady Sarah Goldwyn, der Horror-Oma, den Film »Hannibal« gesehen hatte. Da hatte sie einen FBI-Agenten erlebt, der in die Gewalt des Killers und Kannibalen geraten war, und der hatte ähnlich ausgesehen, denn auch ihm hatte ein Teil des Kopfes gefehlt.
Nur hatte dieser Mann im Film völlig zusammenhanglos gesprochen.
Das würde bei Aristide Goya sicherlich nicht der Fall sein. Trotz seines Aussehens war er voll einsatzbereit und Herr der Lage.
Sie wusste jetzt wie er wirklich aussah, und Jane fragte sich,
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