Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1208 - Leichenwelten

1208 - Leichenwelten

Titel: 1208 - Leichenwelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
importiert.«
    Moses meldete sich. »Samuel hat bestimmt die Wahrheit gesagt. So etwas denkt man sich schließlich nicht aus.«
    »Das hoffen wir«, sagte ich.
    Der Blick des Sozialarbeiters glitt in unbestimmte Fernen.
    »Auch die Sache mit dem Weißen.« Er hatte seine Antwort so ungewöhnlich betont, dass wir aufmerksam wurden.
    Suko stellte die Frage, die ich auch, hätte aussprechen können.
    »Wieso? Kennen Sie ihn? Es hat sich ganz so angehört.«
    King runzelte die Stirn. Er schüttelte zugleich den Kopf.
    »Kennen ist zu viel gesagt«, murmelte er. »Nein, ich habe ihn nie zuvor gesehen. Er ist mir auch heute erst beschrieben worden. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, ihn schon mal gesehen zu haben.« Er bewegte unruhig seine Hände. »Ich weiß nicht, wie ich das genau ausdrücken soll, aber so unbekannt ist er mir nicht.«
    »Dann sollten Sie nachdenken.«
    »Ja, Suko, das versuche ich die ganze Zeit über. Nachdenken, mich erinnern. Nur stürmen in meinem Job so viele Eindrücke auf mich ein, dass alles zu einem bunten Wirrwarr im Kopf wird. Das läuft ab wie ein zu schnell gedrehter Film.«
    »Stoppen Sie ihn.«
    Moses King nagte an der Unterlippe. Keiner von uns sagte ein Wort.
    Wir wollten ihn in Ruhe nachdenken lassen. Er schaute keinen von uns an. Er rieb seine Hände, dann legte er sie zusammen und schloss die Augen bis auf einen kleinen Spalt.
    »Da war etwas«, flüsterte er dann. »Ich weiß es genau. Ich… ich… habe es auch gleich. Und zwar habe ich es gelesen und gesehen.«
    »In einer Zeitung?«, fragte ich.
    Sein Kopf ruckte hoch. Die Augen erhielten einen klaren Blick, als wollte er mich damit durchbohren. »Sie sagen es, Mr. Sinclair. Es ist in der Zeitung gewesen. Genau dort habe ich ihn gesehen. Ein Bild.« Er führte die rechte Hand von oben nach unten. »Auf einer Zeitungsseite. Eine Werbung.«
    »Sehr gut!«, lobte ich ihn. »Werbung für wen oder für was?«
    Er schluckte und schnickte mit den Fingern. »Das war«, murmelte er, »das war… irgendetwas mit einer Ausstellung, die hier in London zu sehen ist.«
    »Und wo bitte? In einem Museum oder in einer Kunsthalle?«
    »Ich weiß nicht«, erklärte er zerknirscht. »Aber ich bekomme es noch raus, verlassen Sie sich darauf. Ich werde weiterhin nachdenken.« Er tat es, er senkte den Kopf, konzentrierte sich wieder, und wir ließen ihn in Ruhe.
    Ich merkte genau, wie in mir die Spannung wuchs. Es ging jetzt ums Ganze. Wir standen dicht vor dem Ziel, nur noch einen Schritt, und wir waren da.
    Moses King wippte mit dem rechten Fuß. Er flüsterte sich dabei ständig selbst etwas zu, und wir als Zuschauer bekamen mit, dass ihm ebenfalls eine Gänsehaut über das Gesicht lief.
    »Das darf nicht wahr sein«, flüsterte er dann und blickte auf.
    »Was bitte?«
    Seine Mundwinkel zuckten. »Ich hab’s. Es ist… es ist der Mann mit dem Hut, der Fotograf. Er hat hier in London eine Ausstellung. Er zeigt seine Bilder. Es soll eine Sensation sein, wie ich gehört habe.«
    »Sind die Aufnahmen so toll?«
    »Das scheint so zu sein. O Gott.« Er schlug auf den Tisch. »Er zeigt nur Bilder von Toten.« Seine Stimme steigerte sich in der Lautstärke.
    »Begreifen Sie das? Er stellt nur Fotos von Toten aus. Das ist Wahnsinn«, flüsterte er.
    »Das ist Wahnsinn?«
    »Leichenwelten.«
    »Wie bitte?«
    Er war plötzlich ganz hektisch. »Ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Die Ausstellung heißt ›Leichenwelten‹.«
    Nach dieser Antwort schwiegen wir. Bis auf Samuel. Der hatte sich endlich dazu entschlossen, das Glas an die Lippen zu führen. Er trank mit kleinen Schlücken, schlürfte dabei und verdrehte genießerisch die Augen. Dann stieß er auf, erhob sich, schaute auf sein leeres Glas und fragte: »Brauchen Sie mich noch?«
    Wir ließen ihn gehen.
    Er schlurfte und schwankte davon, aber er fand die Tür und lief nicht gegen einen Pfosten.
    Suko nickte mir zu. »Die Sache muss doch glatt zu bügeln sein«, sagte er, »das sind wichtige Tipps.«
    »Und ob.« Ich hielt mein Handy bereits in der Hand und wählte die Nummer unseres Büros, wo Glenda sicherlich abnehmen würde. In der letzten Zeit verzichtete sie oft auf die Mittagspause in der Kantine. Sie wollte für den Frühling abnehmen.
    Sie war da.
    »Ich bin es nur, keine Panik.«
    »Aha. Und wo liegt das Problem?«
    »Warum soll ich ein Problem haben?«
    »Das hast du immer, wenn du anrufst.«
    »Sei nicht so biestig, aber in diesem Fall stimmt es wirklich. Es geht um eine

Weitere Kostenlose Bücher