122 - Der Grabräuber
Miene, drückte Verständnis aus. „So ist das, Mr. Archer. Und jetzt hätten Sie gern gewußt, ob ich Ihnen weiterhelfen kann. Darf ich das Foto mal sehen?"
„Gern."
Er trug immer noch seinen Mantel. Den Hut hatte er neben sich auf den Diwan gelegt. Er zog die Aufnahme aus dem Castillo Basajaun hervor und händigte sie der schönen Frau aus.
Alexandra Constantini betrachtete das Foto lange. Fred hatte den Eindruck, ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich etwas dabei.
„Ja", sagte sie schließlich. „Es ist schon möglich, daß dieser Mann einmal in meinem privaten Klub gewesen ist. Ich lade oft Freunde und Bekannte ein, Mr. Archer. Ich kann mich unter ihnen umhören. "
„Das wäre wirklich sehr nett."
„Für Sie tue ich das gern - Fred."
Er fühlte wieder Hitze in sich aufwallen. Wurde er rot? Er hätte sich wegen seines albernen Benehmens ohrfeigen können. Himmel, hatte diese Frau eine Ausstrahlung! Er befeuchtete mit der Zungenspitze die Lippen. Seine Stimme klang ein wenig heiser.
„Jetzt wird mir natürlich einiges klar. Wenn Jeff Parker wirklich in Ihrem Haus gewesen ist, hat Edward ihn selbstverständlich auch gesehen. Das würde erklären, warum er sich beim Anschauen des Fotos so merkwürdig benommen hat. Seine Unschlüssigkeit rührt daher, daß er sich auch nicht mehr genau erinnern kann."
Was er redete, erschien ihm logisch und dann doch wieder total ungereimt. Er wußte plötzlich nicht mehr, was mit ihm los war.
„Edward", sagte sie. Überheblichkeit schwang in ihrer Stimme mit. „Edward läßt von Tag zu Tag nach. Er ist ein armer alter Narr. Sehen Sie nur, Fred, er hat sogar vergessen, Ihnen Mantel und Hut abzunehmen."
„Aber das spielt doch keine Rolle."
Sie hatte sich bereits erhoben und betätigte einen Klingelknopf neben dem Kaminsims. Edward erschien. In leicht gebückter Haltung strebte er auf den Gast zu, nahm ihm die Kleidungsstücke ab und entfernte sich wieder, ohne ein Wort zu sagen.
Die schöne Alexandra blickte ihm nach, schüttelte den Kopf und begab sich zu der Hausbar. „Ich glaube, wir beide können jetzt noch einen Drink vertragen, Fred."
„Ja."
Er schaute an sich herunter und schämte sich plötzlich seines Aufzuges. Der leicht. verknitterte graue Kaufhausanzug und die durchweichten Schuhe wollte nicht recht in diese mondäne Umgebung passen. Normalerweise hatte Fred hinsichtlich seiner Kleidung keinerlei Skrupel; er pflegte auch den größten Honoratioren gegenüber salopp zu erscheinen; schließlich war er ein Privatdetektiv und kein Dreßman. Aber hier, dieser berückenden Frau gegenüber, war das etwas anderes.
Sie kam, gab ihm den Drink und stieß wieder mit ihm an.
„Erzählen Sie mir etwas mehr über Ihre Bekannten!" bat er.
Ihr Lächeln war hintergründig. „Sie gehören ohne Ausnahme der obersten Gesellschaftsschicht von San Francisco an. Wir sind eine richtig nette Clique, Fred. Haben Sie den verzierten Türklopfer gesehen?"
„Ja. Er zeigt Bacchus, den Weingott aus der griechischen Mythologie."
„Richtig. Wir nennen unseren kleinen Kreis nach ihm:
Bacchanten.
Ich bin die oberste Bacchantin, die Anführerin."
„Was ist das? Eine Sekte?"
„Wie kommen Sie darauf?"
Er lachte. „Sekten sind mein Hobby."
„Lassen Sie die beiden letzten Buchstaben weg, dann sind Sie den Leidenschaften der High Society eher auf der Spur", versetzte sie amüsiert.
„Sekt und Kaviar, Weißwein und Hummer. An alldem fehlt es bei mir nie. Und daher kommen die Leute wahrscheinlich so gern zu mir."
„Aha. Nur deshalb?"
„Nun, falls Sie darauf anspielen: Ich bin nicht verheiratet, Fred. Meinen Sie, daß ich noch eine gewisse Anziehung auf die Männer ausübe und Ehefrauen eifersüchtig machen kann?"
„Das ist vielleicht eine Frage!" erwiderte er verdattert.
„Ich möchte Ihnen von meinem vorzüglichen Weißwein zu kosten geben", sagte sie. Sie stand wieder auf, trat an die Hausbar und förderte eine Flasche zutage. „Weißwein soll man gekühlt trinken, Fred. Dieser Tropfen stammt aus Griechenland. Er ist wirklich nicht zu verachten."
Sie tranken, rauchten und plauderten. Fred achtete nicht auf die Uhrzeit noch auf die Menge Alkohol, die er in sich aufnahm; er hatte nur noch Blicke für die faszinierende Frau. Es wurde später und später. Im Haus war keinerlei Geräusch mehr zu vernehmen. Bald duzten sie sich ganz ungezwungen.
Irgendwann sagte Fred: „Verrate mir mehr über dich, Sandra!"
Plötzlich war sie über ihm. Er spürte den sanften Druck
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