1222 - Die Jenseits-Sekte
kollektiven Selbstmord und seine Folgen hatten sich die Mitglieder der Sekte wohl anders vorgestellt.
Wieder fiel ein Tropfen oder Klumpen zu Boden und klatschte mit dem typischen Geräusch auf. Dann noch einer, dem wiederum andere folgten, sodass es wie ein Regen wirkte, der so schnell aufhörte wie er begonnen hatte.
Suzy Abbot stöhnte leise. Sie begriff nicht, was vor ihren Augen passierte. Sie war auch nicht in der Lage, eine gezielte Frage zu stellen, denn ihre Welt war plötzlich durcheinander gekommen, und sie fand sich nicht mehr zurecht.
Johnny drehte sich leicht nach links und schob seine Freundin sacht, aber bestimmt von sich weg.
»He, was hast du vor?«, beschwerte sie sich.
»Du bleibst erst mal hier.«
»Und was tust du?«
Er sah die Angst, die sich Suzy um ihn machte in ihren Augen. Für einen Moment ließ bei Johnny die Spannung nach, und er atmete tief durch. Er fühlte sich auch gut, weil Suzy sich um ihn sorgte, und er versuchte, sie durch seine Worte zu beruhigen.
»Bitte, du brauchst keine Sorge zu haben. Ich möchte nur nachschauen, was da von der Decke gefallen ist. Das muss ich einfach tun. Wir können nicht immer hier stehen bleiben und abwarten, dass die andere Seite reagiert.«
»Ist das nicht gefährlich?«
»Was im Leben ist nicht gefährlich?«
Diese aufgesetzt lockere Antwort wollte sie nicht akzeptieren und schüttelte den Kopf. Allerdings wusste sie auch, dass sie ihren Freund nicht zurückhalten konnte. Auch Johnny war klar, dass es keinen Zweck hatte, wenn er sich drückte.
Der Flur sah normal aus. Er war ihm bekannt, und trotzdem kam sich der junge Mann vor wie jemand, der fremdes und vor allen Dingen feindliches Terrain betritt. Er brauchte nur einen Schritt zu gehen, um in den Flur zu treten, doch er hatte das Gefühl, schon Meilen zurückgelegt und eine andere Welt hinter sich gelassen zu haben. Das Leben hatte Johnny Conolly für gewisse Dinge sensibel gemacht. Bereits nach seinem Eintritt in den Flur war ihm klar, dass hier etwas nicht stimmte. Er befand sich zwar noch in der Realität, aber die hatte einen eigenen Sinn bekommen. So wie ihm musste es seinem Paten John Sinclair auch immer wieder ergehen, wenn er sich auf die Jagd nach den Geschöpfen der Finsternis machte. Aber auch Johnnys Vater konnte ein Lied davon singen.
In diesen Augenblicken fühlte sich Johnny wie ein Geisterjäger, der den echten schon abgelöst hatte. Dieses Gefühl war nicht unbedingt schlecht, obwohl die Gefahr sicherlich nicht vorbei war. Das Unheimliche lauerte nach wie vor.
Er blieb dort stehen, wo der erste Tropfen auf den Boden gefallen war. Die anderen hatte er etwas weiter zur Haustür hin fallen sehen, aber dort war es auch dunkler.
Johnny bückte sich und streckte den Zeigefinger aus. Von den Bildern fühlte er sich irgendwie eingekesselt, als wäre für ihn ein Gefängnis gebaut worden.
Die Masse war gefallen und zerplatzt. Sie klebte jetzt an seinem Finger, als er die Hand wieder in die Höhe zog und sich den Finger genau betrachtete, der rot geworden war. Rot wie Blut!
Johnny erschrak nicht. Er hatte es geahnt. Er presste nur für einen Moment die Lippen zusammen und atmete scharf durch die Nase ein. Am Taschentuch wischte er das Blut ab und schaute sich jetzt genauer um. Ihm fiel auf, dass die dicken Tropfen an den verschiedensten Stellen des Flurs auf den Boden gefallen und dort zerplatzt waren. So hatten sie da kleine Inseln bilden können, die an den Rändern stark aufgefasert waren.
Zwar hörte er Suzy seinen Namen leise rufen, aber er kümmerte sich nicht um sie, weil er sich umsah. Die Decke lag starr über ihm. Er suchte dort nach irgendwelchen Spuren und dunklen Flecken, aber sie waren nicht zu sehen, weil das Licht zu schlecht war. Und die flache Flurleuchte hatte er noch nicht eingeschaltet. Er traute sich auch irgendwie nicht.
»Was ist denn, Johnny?«
Diesmal gab er eine Antwort. Zuvor ging er wieder dorthin, wo die zitternde Suzy stand. Seinem ernsten Gesichtsausdruck und seinem Nicken sah sie an, dass es etwas Ernstes war, und sie hörte sehr bald seine leise Stimme.
»Es ist Blut, Suzy, daran gibt es nichts zu rütteln.«
»Was?«
»Ja, es tropfte aus der Decke. Als gäbe es in der ersten Etage einen großen Blutsee.«
»Nein, nein!«, flüsterte sie. »Auf keinen Fall.« Sie war plötzlich übernervös und entsetzt. »Es gibt keinen Blutsee, das musst du mir glauben. So etwas wüsste ich. Und überhaupt, wie kommst du darauf, dass es ein See
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