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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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Kirche Porteuncula, als er seine wissenden Augen schloss für immer.« Nelson erschrak, als er bemerkte, dass sich Luk eine Träne aus den Augen wischte. Schon hob er erneut an, Wehmut in seinem Blick: »Wir werden ihn, den Bekenner der Armut, Modell der Buße, Herold der Wahrheit, Spiegel der Heiligkeit und Vorbild der Vollkommenheit, für alle Ewigkeit in unseren Herzen tragen!«
    Tiefes Schweigen folgte seinen Worten. Die Dominikaner falteten die Hände und sprachen, die Gesichter zu Boden gewandt, ein stilles Gebet. Nelson warf einen raschen Blick auf Judith, die völlig entgeistert in Luks Richtung starrte. Ihr Freund – gab’s das?! – er heulte! Nicht bloß ein bisschen, nein, er heulte hemmungslos! Waren sie im falschen Film? Entweder war an Luk ein großer Schauspieler verloren gegangen. Oder er glaubte plötzlich selbst an das, was er den Dominikanern weismachen wollte.
    »Es ist gut, Bruder Gawein«, raunte Judith. »Krieg dich bloß wieder ein!«
    Luk hob langsam den Kopf und sah sie verständnislos an. Seine Augen verrieten, dass er gerade weit, weit weg war.
    Die Dominikaner beendeten ihr Gebet. Einer wandte sich an Luk. »Alexander von Hales soll sich auf dem Weg hierher befinden. Ist er nicht auch einer jener Gefährten, die den Armen von Assisi auf den Berg Alverna begleitet haben?«
    Auch das noch, dachte Nelson, der neues Unheil auf sich zukommen sah.
    Luk trocknete seine Tränen. »Du sprichst wahr«, antwortete er in gedrechseltem Latein. »Auch Bruder Alexander hat mit uns gebetet. Wir waren viele.«
    Nelson hatte allmählich genug. Luk musste übergeschnappt sein! Wenn dieser Alexander hier auftauchte, brachte sie das in Teufels Küche! Was war nur los mit ihm? Stieg ihm das Ganze hier zu Kopf? Hatte seine Glatze zu viel Sonne abbekommen? Am Ende litt er noch an einer besonderen Form des Jerusalem-Syndroms, jener Krankheit also, die Besucher der Heiligen Stadt befiel, die sich plötzlich in Jesus oder die Mutter Gottes verwandelten und erst in der Psychiatrie wieder aufwachten!
    In diesem Moment ertönte eine Fanfare.
    »Das Turnier!«, rief jener Mönch, der sich vorhin so ereifert hatte. »Endlich!«
    Sein Zorn schien verraucht. In seinen Augen glühte mit einem Mal ein anderes Feuer – das Feuer der Leidenschaft. »Los, los!«, drängte er. »Sonst sind die besten Plätze fort.«
    »Einen Moment noch, Brüder«, bat Nelson. »Man erzählte uns, der Antichrist treibe in dieser Gegend sein Unwesen. Habt ihr davon vernommen?«
    »Heiliger Strohsack!«, rief der Mönch mit der lila Knollennase. »Der Antichrist macht in unserer Zeit gar viele Verwandlungen mit.« Dabei warf er einen viel sagenden Blick auf Bruder Hitzblitz.
    »Ihr könnt ganz beruhigt sein«, berichtete der junge Dominikaner eifrig. »Der, vor dem ihr euch fürchtet, richtet keinen Schaden mehr an. Graf Alpais von Greifenfels und seine tapferen Ritter haben ihn gestern Nacht hergebracht und tief unter der Burg in Ketten gelegt. Wie man hört, wollte er sich gerade in einen Greif verwandeln…«
    »Schon gut, schon gut«, drängte der Eiferer und rannte einfach los.
    »Ihr kommt doch mit zum Turnierplatz?«, erkundigte sich Bruder Knollennase.
    Judith und Nelson sahen sich fragend an.
    »Selbstredend«, antwortete Luk an ihrer Stelle und folgte den anderen auf dem Fuß.
    Judith zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, den können wir nicht mehr alleine hier rumlaufen lassen. Anscheinend hat ihn was gebissen.«

15
     
     
     
    Sie folgten Luk und den Dominikanern über den Burghof Richtung Zwinger. Bald wurden sie von einem Strom von Menschen aufgesogen. Sie kamen an einem Garten vorbei, aus dem es herrlich nach Kräutern duftete, und passierten gleich dahinter den Burgfriedhof, in dem Nelson einige frisch aufgeworfene Gräber entdeckte. Als sie der Tross durch das äußere Nordtor schob, bot sich ihnen ein grandioser Anblick: Unterhalb der Burg, zu Füßen des flach abfallenden Hügels, erstreckte sich ein Platz, der gut und gerne vier Fußballfelder maß. An den Längsseiten begrenzten breite, hölzerne Tribünen die Arena. Parallel dazu verliefen vier Turnierbahnen, in denen jeweils zwei Kämpfe gleichzeitig stattfinden konnten. Rechts und links der Tribünen standen Dutzende mit bunten Fahnen, Wappen und Wimpeln geschmückte Zelte, zwischen denen ein hektisches Treiben herrschte. Knappen zäumten die Pferde ihrer Herren auf; Schmiede erzeugten mit Hilfe gewaltiger Blasebälge sehr heiße Feuer, in denen sie Hufeisen und

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