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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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reisen lassen darf.« Entschlossen kletterte sie auf den Karren und klatschte in die Hände. »Los, Johann! Treib die Gäule an! Bevor es sich der Herrgott am Ende noch anders überlegt.«
    An die folgende Fahrt sollten sich Nelsons Knochen und Glieder noch Tage später erinnern. Schon als der Karren losrüttelte, wurde ihm schmerzhaft bewusst, dass Reifen und Federung erst Jahrhunderte später erfunden werden würden. Die hölzernen Räder verwandelten jede Unebenheit in heftige Schläge, gegen die sich die Insassen des Karrens kaum schützen konnten. Auf der glatten, ungepolsterten Bank versuchten sich die Freunde vergeblich abzustützen, bis sie die nächste Bodenwelle wieder aus ihren Sitzen katapultierte. Es war die Hölle!
    Severin dagegen ertrug die Schüttelpartie mit stoischer Ruhe. Merkwürdigerweise riss es ihn nicht einmal von der Bank. Seine ganze Haltung wirkte auf Nelson wie die eines Aristokraten. Irgendwie gelang es ihm dabei sogar, Adiva, die sich ängstlich an ihn klammerte, vor allzu heftigen Stößen zu bewahren.
    Als Burg Rosenstoltz am Horizont auftauchte, bat die Nonne den jungen Wagenlenker zu halten. Für Nelson und Luk hatte das Martyrium damit ein Ende. Sie würden den restlichen Weg zu Fuß fortsetzen. Severin und Adiva hingegen sollten noch ein Stück weit mitfahren, damit man die vier unterwegs nicht gemeinsam sah – womöglich würde das bei bestimmten Leuten unnötig Misstrauen erwecken. Nur Judith und die ehemalige Zofe wollten direkt zur Burg fahren um dem Wagen dort zu entsteigen, wo sie von möglichst vielen Turnierbesuchern gesehen werden konnten. Schließlich sollte sich die Kunde vom Eintreffen einer schönen Jungfrau namens Melisande wie ein Lauffeuer verbreiten.
    Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht, als sich Luk und Nelson aufmachten dem Pferdewagen zu folgen. Es dauerte nicht lange, bis ihnen der Schweiß über Stirn und Nacken rann und die schwere Kutte an ihren Körpern klebte wie das regennasse Fell eines Bären.
    »Bist du wieder klar?«, fragte Nelson nach einer Weile.
    Luk nickte. »Ich weiß auch nicht«, antwortete er. »Das alles hier ist wie ein cooler Traum. Du glaubst nicht, wie oft ich mir das gewünscht habe…« Er machte eine ausladende Handbewegung. »Das alles hier in echt zu sehen, weißt du? Du ziehst dir ein Buch nach dem anderen rein, guckst dir irgendwelche beknackten Ritterfilme an, läufst durch ‘ne Burg oder ‘n Kloster – aber du bist nie wirklich dabei, alles spielt sich nur in deinem Kopf ab, verstehst du?« Luk atmete geräuschvoll aus. »Und dann plötzlich wird dein Traum Wirklichkeit. Die Ritter haben sich nicht bloß für dich verkleidet, ihre Schwerter sind scharf, in der Burg leben Menschen, auf der Straße fahren keine Autos, mein Gott, es gibt noch nicht mal Straßen…« Er sah zum Himmel und schwieg eine Weile. Nelson hatte den Eindruck, dass es ihm gut tat, sich alles von der Seele zu reden. »Und dieser Notker«, fuhr er fort, »sicher ist der ein Arsch. Aber für ihn bin ich echt, ein Franziskaner, ein Mönch wie er selbst, und alles, was ich gesagt habe, hat er ernst genommen…«
    »Vielleicht etwas zu ernst«, warf Nelson ein.
    »Klar.« Luk blieb abrupt stehen. »Was ich sagen will, ist: Wenn nicht die Situation in der Küche gewesen wäre, dann… Ich weiß nicht. Die ganze Zeit war ich überzeugt, mit mir ist alles in Ordnung, nur ihr seid irgendwie uncool.«
    Nelson grinste. »Uncool ist gut.«
    Sie gingen weiter. Mittlerweile waren sie dort angelangt, wo der Weg anfing sich den Hügel hinauf zur Burg zu schlängeln. Bald schnauften sie vor Anstrengung und mussten Pausen einlegen um wieder zu Atem zu kommen.
    Nelson ärgerte sich, dass keiner von ihnen daran gedacht hatte, Wasser mitzunehmen. Seine Kehle brannte wie Feuer und das Blut in seinen geschwollenen Adern schien regelrecht zu kochen.
    Doch als sie endlich durch das äußere Tor von Burg Rosenstoltz schritten, fiel alle Erschöpfung schlagartig von ihnen ab. Nelson merkte es gleich. Etwas lag in der Luft. Menschen standen in Gruppen zusammen und redeten wild gestikulierend aufeinander ein. Die Spannung war mit Händen zu greifen. Nelson blickte in erhitzte Gesichter und fing Wortfetzen auf, die seine Erwartung bestätigten: Ihr Plan ging allem Anschein nach auf!
    Sie hielten Ausschau nach Judith und Schwester Clothilde, konnten sie in dem Menschengewimmel jedoch ebenso wenig entdecken wie Severin und Adiva.
    Stattdessen liefen sie, als sie über den

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