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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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fortgebracht haben, ist sicher. Die Wachen haben fünf Pferde gezählt. Auf einem habe der Gefangene gelegen.«
    »Sie wollen ihn brennen sehen«, verkündete Severin mit Grabesstimme. »Sie schüren die Glut, um das Feuer der Verdammnis zu entfachen. Die Menschen sollen sehen, wer die Macht besitzt, den Unglauben auszurotten und die Ungläubigen zu läutern. Es gibt nur einen Ort auf der Welt, wo sie es wagen, die Gerichtsbarkeit von Kaiser und Kurie zu umgehen. Eben jener Ort, an dem ich mein Augenlicht verlor. Dort sind sie zu Hause und dort kommt ihnen niemand ins Gehege.«
    »Worauf warten wir dann noch?«, rief Luk und sprang auf.
    »Es ist aussichtslos«, flüsterte Judith. »Alles meine Schuld. Er hätte uns helfen können. Wenn ich ihn nicht abgelenkt hätte… Ohne mich könnte Levent…«
    »Schluss!«, donnerte Schwester Clothilde. »Der Pferdewagen! Johann wartet vor der Burg auf uns. Los, los! Wir müssen uns beeilen! Gott wird uns beistehen!«
    Dem unbändigen Willen der Nonne konnte niemand widerstehen. Nelson griff Judiths Hand und zog sie mit sich. Zusammen mit Severin, Adiva und Luk hetzten sie hinter Lioba her, die mit riesigen Schritten voraneilte. Sie rannten an Menschen vorbei, die neugierig stehen blieben und mit den Fingern auf sie zeigten. Aber sie achteten nicht darauf und ließen sich von niemandem aufhalten.
    Als sie endlich am Torhaus anlangten, mussten sie zunächst auf Severin warten, der an der Hand von Adiva kaum nachkam, und danach noch die Wachen abwimmeln, die allzu viele Fragen stellten. Zum Glück hatte sich Johann nicht von der Stelle gerührt. Er hockte dösend auf seinem Karren und blickte verschlafen in die erhitzten Gesichter.
    »Los, los!«, scheuchte ihn Schwester Clothilde auf. »Sind die Pferde bereit?« Sie sprang auf den Bock und nahm dem verdutzten Johann die Peitsche aus der Hand. »Wird’s bald?!«, trieb sie die anderen an, die sich nacheinander in den Wagen zwängten. Noch ehe der Letzte die Tür schließen konnte, knallte die Peitsche und die Pferde sprengten los.
    Bald jagte der Wagen in halsbrecherischem Tempo durch die herandämmernde Nacht. Während drinnen bleierne Stille herrschte, drangen von außen fast sekündlich anfeuernde Rufe der Nonne herein. Die Insassen klammerten sich an die hölzerne Bank, stießen aber trotzdem immer wieder gegen die Wände oder fielen übereinander.
    Nelson hatte sich an der Plane festgekrallt. Während die Schatten an ihm vorüberrasten, wurde er mit einem Mal ganz ruhig. In Situationen wie dieser, da er nicht auf die Hilfe anderer zählen konnte, entwickelte er eine Kaltblütigkeit, die ihn mitunter selbst erschreckte. Sein Verstand arbeitete dann wie ein Computer. Im Sekundenabstand entwarf er Szenarien, die er blitzschnell analysierte. Variable Größen waren in diesem Fall die Anzahl der Gegner, mit denen sie es zu tun haben würden, ihre Waffen, ihre Position, die örtlichen Gegebenheiten, die Lichtverhältnisse, Levents Verfassung und seine direkte Gefährdung.
    Er überschlug die Wahrscheinlichkeit, gegen eine zu erwartende Übermacht im offenen Kampf bestehen zu können, und kam auf einen Wert von unter einem Prozent. Hilfe von anderen hatten sie nicht zu erwarten. Die Kaisertreuen wären mögliche Verbündete gewesen, aber sie zu mobilisieren blieb keine Zeit mehr. Die Einwohner standen Severins Worten zufolge auf Seiten der Inquisitoren. Im Grunde, das war Nelsons Schlussfolgerung, hatten sie nur zwei Trümpfe im Ärmel: das Überraschungsmoment und die einsetzende Nacht. Nelson wünschte sich einen tiefschwarzen, mondlosen Himmel. Die Dunkelheit würde bei dem Plan, der sich in seinem Kopf abzeichnete, eine entscheidende Rolle spielen.
    Aber dann geschah plötzlich etwas, das Nelsons Planungen jäh unterbrach. Der Wagen raste gerade wieder über eine Baumwurzel, hob kurz ab und landete hart auf dem Waldboden. Doch anders als die unzähligen Male zuvor legte sich das Gefährt auf einmal gefährlich nach links, beschrieb eine Kurve, kippte um und schleifte meterweit über den Boden. Am Ende hatten sie es nur dem beherzten Eingreifen Schwester Clothildes zu verdanken, dass der Pferdewagen nicht die Böschung hinunterstürzte und sie sich allesamt den Hals brachen. Mit dem Gewicht ihrer gut und gerne hundertsechzig Pfund stemmte sie sich in die Zügel und zwang die armen Pferde zu einer Vollbremsung. Der Karren schlingerte noch einige Meter weiter und kam dann wenige Zentimeter vor dem Abhang zum Stehen.
    Sie standen

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