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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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war eine einzige fließende Bewegung, die niemand dem verwundeten Ritter zugetraut hätte und die dieser vielleicht selbst nicht ganz begriff. Jedenfalls sackte Sir Brian zusammen und fiel scheppernd zu Boden.
    Eine ungläubige Stille trat ein. Niemand wagte zu atmen – noch sich zu bewegen. Sekundenlang stand die Zeit still. Die Menschen starrten hinunter auf den Platz und konnten nicht fassen, wovon sie soeben Zeugen geworden waren. Judith löste sich als Erste aus ihrer Erstarrung. Sanft befreite sie sich aus Liobas Griff und schwebte auf den blauen Reiter zu. Dieser erwartete sie, schwer auf sein Schwert gestützt, ein ermatteter Krieger, der sich endlich am Ziel seiner Träume wähnt.
    Und doch sollte er dieses Ziel nie erreichen!
    Die wenigen Schritte, die beide voneinander trennte, dehnte das Schicksal zur Ewigkeit. In Nelsons Erinnerung gab es nur Bilder eines zerrissenen Films, den niemand jemals wieder würde vollständig zusammensetzen können: Judiths weißes Kleid, vom Wind gebläht; das aufgewühlte Feld; die Hand des Engländers, die blind durch den Staub tastet; das grelle Sonnenlicht; Judiths jähes Erschrecken, als sie das Unheil erahnt; zwei Pferde, die reiterlos über den Platz traben; die Unbekümmertheit des unbekannten Helden, als er einen Schritt auf sie zugeht; Brians Schwert, das sich von der Seite auf ihn zubewegt und in ihn eindringt um ihm jede Zukunft zu nehmen.
    Der blaue Reiter starb, wie er gelebt hatte: einsam und nach Erlösung strebend, die ihm das Schicksal nicht gewährte.
    Was nach dem Mord geschah, nahm Nelson wie durch einen Schleier wahr. Der Medicus stürzte herbei, beugte sich über das Opfer und schüttelte langsam den Kopf. Brian, das blutige Schwert in der Hand, wartete teilnahmslos auf die Gardisten, die ihn packten und abführten. Als der Trupp an der Ehrenloge vorbeimarschierte, trat ihnen Alexander von Hales in den Weg. Wortlos riss er Brian das rote Kreuz vom Wams. Einige Zuschauer applaudierten. Andere schrien »Mörder!« oder »Schlagt ihm den Kopf ab!«. Die Wachen wurden verstärkt und beeilten sich den Engländer fortzuschaffen, bevor sich die Wut der Menge entlud. Was weiter mit ihm geschah, sollte Nelson nie erfahren.
    Er sah, wie Schwester Clothilde Judith zurück zu ihrem Platz führte. Die blonden Haare hingen ihr wirr ins Gesicht. Sie war dem Opfer am nächsten gewesen, als ihn das Schwert des Mörders traf. Vielleicht hatte sie ihm in die Augen gesehen. Den Anblick des Sterbenden würde sie ein Leben lang mit sich tragen.
    Fürst von Rosenstoltz erhob sich. Die wütenden Schreie verstummten. Nelson beobachtete, wie der Burgherr nach Fassung rang. Als er das Wort an seine Gäste richtete, klang seine Stimme brüchig: »Mir blutet das Herz«, begann er und stockte. »Der hellste Tag ward verwandelt in eine mondlose Nacht. Ein ehrbarer Ritter, dessen Namen wir nie erfahren werden, ward seines Lebens beraubt durch die schändliche Tat eines Ruchlosen, die unsere Heimstatt befleckt auf alle Zeit. Schande über ihn!«
    Wieder brach die Wut der Zuschauer los, pflanzte sich fort, bis die Arena einem Kessel glich, der jederzeit explodieren konnte.
    Der Fürst hatte Mühe, sich erneut Gehör zu verschaffen. Erst als weitere Wachen aufzogen, verebbten die Schreie und er fuhr fort: »Der Ruhm des unbekannten Ritters ist der einzige Lichtstreif an diesem trüben Tag. Wir werden uns seiner auf ewig erinnern und unseren Kindern von seinen heldenhaften Taten künden. Sein Mut, sein Geschick und sein Ehrgefühl sollen uns und jenen, die nach uns kommen, Vorbild sein für alle Zeit.« Er hob die Hand und blickte in Judiths Richtung. »Seine Stimme indes wird hier und heute ein letztes Mal noch zu uns sprechen. Sein Wunsch, durch seine Herzensdame kundgetan, soll sein Vermächtnis sein.«
    Alle Blicke richteten sich auf Judith, die offensichtlich unter Schock stand. Zusammengesunken saß sie auf ihrem Platz und starrte dumpf vor sich hin. Erst als ihr Schwester Clothilde eine Hand auf die Schulter legte, wandte sie den Kopf. Erstaunt sah sie sich um, als nähme sie die Menschen um sich herum erst jetzt wahr. Die Ordensfrau flüsterte ihr etwas ins Ohr. Daraufhin nickte Judith und stand mechanisch auf. Wie ein willenloses Kind ließ sie sich von Schwester Clothilde zur Ehrentribüne geleiten. Der Burgvogt nahm das ungleiche Paar in Empfang. Er wechselte einige Worte mit der Nonne und übermittelte seinem Herrn anschließend, was sie ihm aufgetragen hatte.
    Fürst von

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