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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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sie ihm vom Verlauf des Turniers, von ihrem gemeinsam entwickelten Plan und dem tragischen Tod des blauen Reiters, von Severins glanzvoller Rolle als Gott der Blitze und seiner Rettung aus dem Flammenmeer. Levent wollte alles genau wissen und konnte sich an eigene Erlebnisse kaum erinnern. Das Ende der Geschichte hätte Nelson am liebsten verschwiegen, aber Luk konnte nicht an sich halten und schilderte das Drama um Levents Rettung in den schillerndsten Farben.
    Der Patient verzog das Gesicht und fixierte Nelson mit gespieltem Ekel. »Du hast meine verdammte Nase geknutscht? Das ist ja abartig. Wie soll ich mich davon jemals erholen?«
    Nelson grinste. »Frag mich mal. Dein Popel klebt mir noch immer am Gaumen.«
    »Igitt!«, machte Judith. »Ihr seid so eklig.« Aber auch sie grinste und Nelson war froh, dass sie sich wieder gefangen hatte.
    Bald erreichten sie den Fluss. Sie hielten und stiegen aus. Von hier aus mussten sie zu Fuß weiter. Sie würden den Weg gehen, den sie vor vier Tagen gekommen waren. Nelson hoffte nur, dass sie den Eingang wiederfanden. Und dass sich in seiner Nähe niemand herumtrieb.
    »So ist denn die Zeit des Abschieds gekommen«, sagte Severin. »Gern würde ich euch auf eurer Reise begleiten. Wenn ich nur jünger wäre… Ob Adiva und ich uns in eurer Welt zurechtfänden?«
    Stumm nahm er einen nach dem anderen in den Arm. Adiva fing an zu weinen. Judith versuchte sie zu trösten. »Sicher sehen wir uns irgendwann wieder, kleine Prinzessin. Und dann bist du es, um die sich die tapfersten Ritter streiten. Doch du zeigst allen eine lange Nase oder den Mittelfinger und wartest so lange, bis einer dabei ist, der es an Edelmut und Kühnheit mit dem blauen Reiter aufnehmen kann, hörst du?«
    Adiva verbarg das Gesicht in den Falten von Severins Umhang. Der Blinde strich ihr sanft übers Haar. »Ein schmerzvoller Abschied bedeutet stets, dass wir reich beschenkt wurden von dem, der von uns geht. Dafür müssen wir dankbar sein, mein Engel, und uns dessen immer erinnern.«
    Judith wischte sich Tränen aus dem Gesicht. Schwester Clothilde schluckte geräuschvoll. »Schluss jetzt!«, verlangte sie. »Lasst euch noch mal drücken. Und dann fort mit euch! Sonst fang ich am Ende auch noch an zu heulen.«
    Die Nonne herzte einen nach dem anderen. Als Nelson an der Reihe war, blieb ihm fast die Luft weg. In den Armen der Schwester fühlte er sich wie ein Baby im Fell einer Gorillamama.
    Sie sahen dem Karren noch lange nach. Nelson überkam tiefe Trauer. Severins Worte gingen ihm durch den Kopf. Auch sie waren beschenkt worden. Menschen, die sie erst seit wenigen Tagen kannten, hatten für sie ihr Leben riskiert. Severins Ruf, da war sich Nelson sicher, würde ihm vorauseilen auf seiner langen Wanderschaft – wie einst die Legende um Melisande dem blauen Reiter vorausgeeilt war. Er würde Respekt genießen, was sicher auch seinem Mündel Adiva zugute kam. Aber ob Schwester Clothilde hinter ihren Klostermauern auf Dauer wirklich glücklich werden konnte nach all dem, was sie in den vergangenen Tagen erlebt und erfahren hatte?
    Schweigend folgten sie dem Weg, der am Ufer des Flusses durch die üppig bewachsene Landschaft mäanderte. Nelson und Luk wechselten sich ab, Levent zu stützen, dessen Verletzungen ernsthafter schienen als angenommen. Judith lief voraus. Sie trug noch immer das weiße Kleid und die Haarpracht der schönen Melisande. Allmählich jedoch fiel die Rolle von ihr ab und die alte Judith gewann die Oberhand. Das bekam auch Levent zu spüren, der den Fehler beging, ihr engelhaftes Aussehen zu preisen. Statt sich über sein Kompliment zu freuen, ätzte sie wenig engelsgleich zurück, er solle sich seinen Atem doch lieber fürs Gehen aufsparen, dann kämen sie vielleicht schneller voran.
    Hinter einer Biegung tauchte in der Ferne plötzlich Burg Rosenstoltz auf. Es war ein betörender Anblick, märchenhaft und Furcht einflößend zugleich. Stolz stemmte sich der Hauptturm gegen den tiefblauen Himmel, uneinnehmbar schlängelten sich die mächtigen Mauern um den Hügel herum.
    »Wenn ich doch bloß ein Bild davon knipsen könnte«, murmelte Luk.
    Levent grinste. »Kannst eins von mir haben«, sagte er leichthin.
    Luk starrte ihn verständnislos an. »Aber sie haben dir doch alles abgenommen.«
    »Stimmt«, antwortete Levent. »Nur meine verdammte Digicam nicht. Die habe ich nämlich am Eingang zu den Katakomben versteckt – das Flusswasser hätte ihr wahrscheinlich nicht gut

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